Von Bernd Niquet
Es ist mehr als ein Witz: Treffen sich zwei Planeten im Weltraum. Fragt der eine: „Na, wie geht es dir?“
„Nicht so gut im Moment“, sagt der andere.
„Was ist?“
„Ich habe Homo sapiens!“
„Oh, das ist bitter. Aber lass mal, das geht vorbei.“
Wenn man genau hinhört, ist es durch und durch gruselig, was man über unser Wirtschafts- und Finanzsystem hört und liest und mit eigenen Augen sehen kann. Alle Probleme sollen durch Wachstum gelöst werden können, sagt man. Dabei ist das Einzige, was wirklich noch wächst, der Krebs.
Die Natur hat in Milliarden von Jahren ein stabiles System des Gleichgewichts etabliert. Ein stationäres System des Revolvierens, der gegenseitigen Bedingtheiten, in dem es nirgendwo ein ungehemmtes Wachstums, aber auch nirgendwo plötzliche Totalausfälle gibt. Hier läuft alles immer wieder gleich ab und immer wieder rund.
Das ist ein Kreislaufsystem, welches auch die Wirtschaftswissenschaften von Anfang an für sich adaptiert haben. Man schaue sich nur das Herzstück der Ökonomie, die Einkommens- und Beschäftigungstheorie an: Hier gibt es nirgendwo Wachstum, sondern um einen sich im Inneren verändernden Kreislauf, der nach außen hin konstant und stabil ist.
Doch wenn man es für eine zündende Idee hält, Piranhas den Weg in den Karpfenteich zu erlauben, ändert sich von einer Minute auf die andere alles. Doch wer beschäftigt sich denn heute noch mit Wirtschaftswissenschaften? Heute wird nur noch in Wachstumsraten gerechnet.
Dass ein ausschließlich auf Wachstum basiertes System in einer räumlich endlichen Welt nicht auf Dauer funktionieren kann, ist offensichtlich. Die Frage ist dabei nur, wann es knallt. Das Finanzsystem multipliziert hierbei die Anfälligkeit noch um ein Vielfaches. Am Finanzsystem können wir noch besser sehen, wie nicht mehr tragbare Ungleichgewichte zum Kollaps führen.
Noch mehr Schulden, die noch mehr Schuldendienste erfordern, sind nur die auf mächtige Größe vergrößerten Spiegelbilder der wirtschaftlichen Wachstumsideologie. Dass das bald nicht mehr gut gehen wird, spürt jeder. Und trotzdem kann niemand etwas dagegen tun.
Blüte und Verfall scheinen beinahe den Charakter von Naturgesetzen anzunehmen. Irgendwann denkt man, fliegen zu können, doch dann kommt die Krätze. Und egal, ob man dagegen anschmiert oder nicht, irgendwann ist sie auch wieder vorbei. Planeten sterben jedoch nicht, Läuse schon.
Wenn ich statt einer Sache, die ich nicht brauche, zwei kaufe, bekomme ich sie heute zum halben Preis. Wer auf den Konsum schaut, lebt heute in der besten aller Welten. Doch auch wer nicht am Konsum interessiert ist, findet Freiräume, die so groß sind, wie nie zuvor in der Geschichte, weil ja fast alle Menschen auf den Konsum programmiert sind.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, heute zu leben. Einerseits schlimm wie nie, andererseits schön wie nie. Es ist nicht auf einen Nenner zu bringen. Wir scheinen wie auf einer Waage zu leben. Und noch sind beide Seiten ausbalanciert. Doch auch der schönste Moment geht einmal vorbei. Oder etwa nicht?
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
… AUCH 2011 IMMER NOCH AKTUELL: DIE FINANZKRISE!
Bernd Niquet, "Wie ich die Finanzkrise erfolgreich verdrängte", Leipzig 2010, 465 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86901-830-0.
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