Von Bernd Niquet
Bisher hatte ich eigentlich geglaubt, in meinem Leben schon fast alles erlebt zu haben. Auf jeden Fall dachte ich, jeglichen Unsinn bereits gehört zu haben. Doch ich habe mich bei weitem getäuscht. Mit der Unsinns-Skala scheint es auch nicht anders zu sein als mit der Erdbeben-Skala, sie ist nach oben offen.
An die These, dass die Anschläge vom 11. September 2001 von den USA selbst inszeniert wurden, gut, daran habe ich mich mittlerweile ja bereits ebenso gewöhnt wie an die Hohlwelt-Theorie und die Mondlandung in einem Studio in Los Angeles. Das kann mich nicht mehr beeindrucken.
Doch jetzt weist mich der Chefredakteur des „Smart Investor“, Ralf Flierl, den ich wegen seiner stets guten Marktprognosen eigentlich sehr schätze, der jedoch seit jeher sehr anfällig für Verschwörungen ist, in seiner wöchentlichen Mail auf eine neue Geschichte hin. Und es ist beinahe zum Weinen. Auch diese glaubt er. Es ist tatsächlich nicht zu fassen, was manche Menschen alles glauben.
Es handelt sich dabei um den Journalisten Torsten van Geest und den/seinen Film „Mega Ritual 2011“. Ich habe mir die ersten Minuten dieses Films auf You Tube angeschaut. Da wird doch tatsächlich behauptet, dass die Anschläge vom 11. September nicht nur ein Friendly Fire waren, also von den USA selbstinszeniert, sondern dass darüber hinaus Hollywood in seine Filme Warnungen vor diesem Datum eingebaut hat.
Was dazu gezeigt wird, ist abstruser als alles, was ich bisher gesehen habe. Es gibt tatsächlich mehrere Szenen, in denen in Hollywood-Filmen die Zahlen 9/11 zu sehen sind. Eigentlich fehlt nur noch, dass ein Porsche 911 einen unumstößlichen Beweis für das Friendly Fire geliefert hätte.
Doch damit ist noch nicht Schluss, sondern jetzt geht es erst richtig los. Es stehe nämlich ein erneuter Anschlag bevor, heißt es, auf den erneut Hollywood in seinen Filmen Hinweise gebe. Dieses Mal solle es wohl einen Atomschlag auf das Olympiastadion in Berlin geben, und zwar am 26. Juni dieses Jahres.
Dazu wird das Bild eines Taxis aus einem Hollywood-Film präsentiert, mit völlig anderen Zahlen, die man jedoch nach irgendetwas Kabbalistischem auf 26-6-2011 umdeuten könne. Puh. Danach habe ich nicht weiter geschaut. Ich vermute, dass bestimmt noch hundert weitere derartige „Beweise“ angeführt werden.
Als ich mit dieser Kolumne anfange, recherchiere ich, was denn zu diesem Zeitpunkt im Olympiastadion läuft. Hertha hat ja Sommerpause, Grönemeyer ist schon durch und die Stones und AC/DC kommen in diesem Jahr ausnahmsweise einmal nicht. Will man vielleicht Mario Barth …? Oder hat man sich nur verrechnet und meint den 22. September, wenn der Papst dort eine Messe liest? Aber nein, an diesem Tag läuft das Auftaktspiel der Fußball-WM der Damen. Wie gemein. Warum hat man den Atomschlag nicht beim Endspiel der Herren 2006 gemacht? Und zwar exakt in der 119. Minute der Nachspielzeit auf den Kopf dieses unsäglichen Materazzi?
Doch Spaß beiseite. Natürlich stehen seit 2001 alle Großveranstaltung immer pauschal unter Terrorismusverdacht. Doch dass Hollywood darüber Bescheid weiß und die Insider in Filmen warnt, halte ich in etwa für so wahrscheinlich wie dass die Karnickel auf dem Maifeld für diesen Anschlag verantwortlich sein werden.
Ich behaupte vielmehr: Die Welt ist so vielartig und vielschichtig, dass man für beinahe jede These Bestätigung finden kann. Man lese nur Adolf Hitlers „Mein Kampf“, dann sieht man, wie es gemacht wird, alles, was die eigene These stützt, aufzugreifen, alles andere hingegen, was ihr widerspricht, außen vor zu lassen.
Wären die Anschläge von New York nicht am 9.11, sondern am 5.10. oder 7.12. gewesen, würde man dafür genausoviel vermeintliche Warnungen finden. Aus dem Wald schallt es immer so heraus, wie man hinein ruft. Und bei der Welt als Ganzem gilt das erst recht.
Sollte die These mit dem Atomschlag jedoch richtig sein, so wird dies die vorletzte Kolumne sein, die sie von mir lesen werden. Denn weit wohne ich von dieser Stadion-Schüssel nicht entfernt.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
… AUCH 2011 IMMER NOCH AKTUELL: DIE FINANZKRISE!
Bernd Niquet, "Wie ich die Finanzkrise erfolgreich verdrängte", Leipzig 2010, 465 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86901-830-0.
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