Von Jochen Steffens
Ganze zwei Tage hielt die Jahresanfangseuphorie, die den Dax von seinem Schlußkurs 2011 bei 5.898,35 Punkten auf ein Hoch bei 6.179 Punkten katapultierte. Doch diese Euphorie ließ ebenso so schnell nach wie sie gekommen war – seit vier Tagen sehen wir tendenziell fallende Kurse. Insgesamt ist in der ersten Woche des Jahres aus charttechnischer Sicht nichts Entscheidendes geschehen. Damit setzt sich 2012 das fort, was in den letzten Monaten 2011 zu erkennen war: Seit August halten wir uns in einer Seitwärtsbewegung auf, deren Extrempunkte zwischen 5.000 Punkten und 6.400 Punkten liegen.
Innerhalb dieser Seitwärtsbewegung existiert eine vergleichsweise enge Range zwischen 5.720 und 6.180 Punkten, in der sich der Dax seit Oktober überwiegend aufgehalten hat. Die Jahresanfangseuphorie scheiterte erneut an der oberen Begrenzung dieser engen Range. Sie reichte also nicht einmal aus, um ein entscheidendes charttechnisches Signal zu erzeugen.
Es bleibt damit dabei: Im Dax sind zur Zeit keine Tendenzen zu erkennen. Er zeigt weder Schwäche noch Stärke und notiert seitwärts. Daß der Dax aber trotz der vielen Probleme in der EU nicht weiter fällt, ist nicht nur ein Zeichen dafür, daß Anleger Vertrauen in die deutsche Wirtschaft haben, sondern auch ein Hinweis darauf, daß viele Anleger bei einer Ausweitung der Krise Aktien für eine akzeptable Kriseninvestition halten. Zumindest wenn finanzielle Mittel für einen Nachkauf zurückgehalten werden, sind Aktien durchaus eine Option, bei Krisen das Vermögen zu bewahren.
Da ohne Frage trotzdem Risiken bestehen, noch einmal die Empfehlung: Setzen Sie nicht unbedingt (nur) auf Einzeltitel, sondern eher auf Märkte und zudem breit – sprich weltweit – diversifiziert. Zudem gibt es momentan keine tatsächlich sicheren Anlageformen. Aus diesem Grund sollte man darüber hinaus auch über verschiedenen Anlageklassen diversifizieren – zum Beispiel: Immobilien, Rohstoffe – aber mittlerweile sind sogar Anlagen in Form von Farmland, Holz, Diamanten, Kunst im Gespräch.
Ist das Vertrauen zurück?
Nachdem im vergangenen Jahr eine Auktion deutscher Staatsanleihen noch Schwierigkeiten bereitete, war jetzt eine Neuemission von insgesamt 3,9 Milliarden Euro wieder 1,8fach überzeichnet. Das Beste daran: Diese Anleihen mit einer Laufzeit von sechs Monaten konnten mit einem durchschnittlichen Zins von MINUS 0,0122 Prozent an die Investoren abgegeben werden.
Kurz: Investoren zahlen dem deutschen Staat zur Zeit Geld, damit sie ihm Geld leihen dürfen. Der Staat verdient Geld mit der Ausgabe neuer Schulden! Wie verrückt ist das denn? Ist also das Vertrauen in die deutsche Wirtschaft und Politik zurück?
Nein, es hat eher damit zu tun, daß die EZB vor einigen Wochen angekündigt hat, die Geldschleusen zu öffnen und für drei Jahre nahezu unbegrenzt Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Die dadurch entstandene neue Sicherheit führt zu diesen Negativzins-Auktionen. Den Investoren ist dabei offensichtlich nur wichtig, daß die jeweiligen Länder als vergleichsweise sicher gelten – Dänemark, die Niederlande und die Schweiz profitierten bereits ebenfalls von negativen Renditen.
Realer Zinsgewinn
Wenn wir als Privatpersonen uns doch nur Geld leihen könnten und statt eine Zinslast zu tragen dafür auch noch Geld erhalten würden! Vielleicht kommt es sogar bald dazu. Bei den aktuellen Kreditzinsen (rund 3 Prozent bei Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Laufzeit) können Sie auch als Privatpersonen eventuell bald zumindest einen realen Kaufkraftgewinn durch Schulden erzielen. Nämlich dann, wenn die Inflation über 3 Prozent ansteigt und Sie das geliehene Geld in wertbeständige Anlagen investieren.
Letzteres ist aber die Crux an der Sache, denn was ist eine wirklich zuverlässig wertbeständige Anlageklasse? Schließlich sind selbst Immobilien mit gewissen Risiken behaftet... .
Jochen Steffens ist Chefredakteur des kostenlosen Newsletters "Steffens Daily". Weitere Informationen finden sie hier.