Von Bernd Niquet
Ich erinnere mich noch gut, wie das früher war, wenn mein Vater die Bundestagsdebatte live im Radio gehört hatte und dann abends Ausschnitte davon in den Nachrichten kamen. Natürlich war auch viel Frust dabei, doch oft genug hatten ihm einzelne Parlamentarier enorm imponiert. Das ist ein „toller Mann“, meinte er dann und sagte: ein doller Mann.
Heute bin ich schon genau wie er. Obwohl ich die Parlamentsdebatten nicht live höre. Denn wer macht heute schon so etwas noch? Heute leben wir doch alle von Informationen aus zweiter Hand. Doch Vater hatte damals Zeit, denn er hat alle in seinen Läden abgegebenen Reparaturaufträge selbst erledigt.
Auch das ist eine ferne Zeit, obwohl sie kaum mehr als zwanzig Jahre zurück liegt. Damals hat man tatsächlich Schirme noch repariert. Da waren Schirme Markenprodukte, und da gab es noch einen Einzelhandel. Das alles ist heute gar nicht mehr zu glauben. Heute schmeißen wir alles weg. Und heute gibt es auch keine Fachgeschäfte mehr, sondern an deren Stelle nur noch Kaffeebuden und Take-Away-Food.
Damals gab es auch noch eine Börsenumsatzsteuer: 0,1 Prozent auf öffentliche Anleihen und 0,25 Prozent auf alle anderen Anleihen und auf Aktien. Ich erinnere mich gut. Das war völlig normal. So etwas gab es seit 1885. Erst heute, wo es um eine Wiedereinführung der 1991 abgeschafften Abgabe geht, wird das zur Schicksalsschlacht erhoben.
Doch es gibt auch heute dolle Leute, finde ich. Den französischen Staatspräsidenten zum Beispiel, der notfalls im Alleingang damit begonnen hätte. Oder unsere Kanzlerin, die es zusammen mit ihm geschafft hat, den gesamten Euroraum auf eine Transaktionssteuer einzuschwören.
Natürlich ist die FDP dagegen, doch vermutlich (und hoffentlich) wird sie sich damit endgültig selbst vernichten. Aber auch in ihr gibt es dolle Leute, wie ich finde, zum Beispiel Wolfgang Kubicki, den FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig-Holstein. In so klarer Art und Weise gegen einen mittlerweile völlig untragbaren Parteivorsitzenden Position zu beziehen, das ist schon doll.
Wir werden sie also wohl tatsächlich bekommen, die Transaktionssteuer. Ich hatte nicht mehr daran gedacht. Und die Briten sollen sich in ihrer Inzucht suhlen. Es wird uns schon gelingen, ihnen auch so einen Obolus abzufordern. Und selbst die die Bedenkenträger werden sich einfangen lassen. Natürlich werden die Banken die Kosten bei Kundengeschäften überwälzen. Das versteht sich ja von selbst, schließlich wird jeder Privatanleger die Steuer extra ausgewiesen auf seinen Abrechnungen vorfinden. Doch wie die Banken die dadurch gestiegenen Belastungen des Eigengeschäfts überwälzen sollten, bleibt unerfindlich.
Es sieht derzeit also gar nicht schlecht aus um die Welt. Vielleicht gelingt es uns ja tatsächlich noch – und in Anschluss daran zukünftig sogar immer besser – den in den 70er und 80er Jahren losgelassenen Zauberbesen wieder einzufangen. Doch es braucht dazu ein paar doller Leute. Eigentlich habe ich ja auch Barack Obama für einen solchen gehalten.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.