Von Bernd Niquet
An diesem Wochenende sollen in der Wochenzeitung „Zeitungszeugen“ des britischen Verlegers Peter McGee Auszüge aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“ zu lesen sein. Ob es tatsächlich dazu gekommen ist oder ob eine Gerichts- oder sonstige Entscheidung das noch in letzter Minute verhindert hat, weiß ich nicht.
Ich dachte immer, „Mein Kampf“ sei verboten und stünde auf dem Index. Doch so ist es wohl nicht. Es ist nur seinerzeit das Copyright an den Freistaat Bayern gefallen, der seitdem eine Veröffentlichung verbietet. Offiziell gibt es nur eine kommentierte Ausgabe, die ich ganz früher einmal gelesen habe, aber völlig uninteressant fand.
Im Zuge der Internet-Revolution bin ich dann jedoch mit der Original-Version in Berührung gekommen. Ich habe sie nicht ganz gelesen, aber in vielen Auszügen. Und ich empfand das als eines der interessantesten Leseerlebnisse meines Lebens.
Das hat sicher eher wenig mit dem Verbotenen zu tun. Ich hatte vielmehr beim Lesen dieses Buches zum ersten Mal das Gefühl, diesem Mann wirklich nachspüren zu können. Denn man fragt sich doch stets: Wie konnte der nur auf diese Ideen kommen?
Ich denke, das ganze Unverständnis liegt an der Gewaltigkeit dessen, was Hitler und seine Schergen verbrochen haben. Der Happen ist zu groß, man bekommt ihn nicht herunter. Alles, was man darüber lernt, bleibt plakativ. Man kann es jedoch nicht verinnerlichen. Man kann es nicht fressen.
In dem Moment jedoch, indem ich beim Lesen von „Mein Kampf“ selbst miterleben konnte, wie Hitler sich durch die Welt der Philosophie und Kulturwissenschaften hindurch gearbeitet hat, war das anders. Da habe ich gesehen, wie er von allem, was ihm dabei begegnet ist, immer nur das für sich adaptiert hat, was seine vorgefasste Weltsicht stütze, das jedoch, was dort keinen Platz hatte, einfach unbeachtet gelassen hat. Erst in diesem Moment habe ich angefangen, zu verstehen.
Das mag viel mit eigenen Erfahrungen zu tun haben. Als ich anfing, wissenschaftlich zu arbeiten, hatte ich eine Idee. Und dann habe ich begonnen, zu lesen. Habe gelesen und gelesen, wie Hitler. Und habe mir das herausgesucht, was meine Idee stützte. Die Diskussionen in der Wissenschaftsgemeinde zwangen mich jedoch, auch die andere Seite der Medaille zu betrachten. Und hier beginnt bei Hitler das Fatale, denn es gibt kein Korrektiv, auf das er stößt.
Bei „Mein Kampf“ kann man gleichsam live erleben, wie das Schreckliche im Allerkleinsten beginnt, und wie ein Schneeball zur Lawine anschwillt.
Wäre ich Bildungspolitiker, würde ich die Lektüre von „Mein Kampf“ zum Pflichtprogramm aller Oberschulen machen. Ich denke nicht, dass unser bisheriger Umgang mit diesem Thema angemessen ist. Von dem Streit um lächerliche 18 Seiten aus Hitlers Buch an diesem Wochenende ganz zu schweigen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.