Von Bernd Niquet
Was man heute so alles aus dem Bereich der Wissenschaft über sich ergehen lassen muss, ist schon wirklich hart. Gerade hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine „repräsentative“ Studie veröffentlicht, nach der Künstler zufriedenere Menschen sind als andere.
Künstler arbeiten zwar länger und verdienen weniger Geld, heißt es dort, sind aber zufriedener als andere, weil sie dem Geld nicht eine so hohe Bedeutung beimessen. Auch wenn ich mir durchaus vorstellen kann, dass das stimmt, halte ich es dennoch für fragwürdig, so etwas wissenschaftlich zu untersuchen.
Wissenschaft ist etwas Objektives, Zufriedenheit jedoch eine ausschließlich subjektive Kategorie. Und wenn ich eine Lehre aus meinem Studium mitgenommen habe, dann die, dass sich Glück und Zufriedenheit wissenschaftlich nicht messen lassen, jedenfalls nicht im zwischenmenschlichen Vergleich.
Ob ich bei meiner heutigen Tätigkeit glücklicher bin als bei meiner gestrigen, darüber lässt sich eine seriöse Aussage treffen. Doch ob ich zufriedener bin als mein Nachbar, das erschließt sich dem wissenschaftlichen Zugang nicht.
Intellektuell steht diese Studie also nicht weit über der Fernsehwerbung, in der uns doch tatsächlich erzählt wird, dass ein Hustensaft deswegen erfolgreich ist, weil er Schleimmonster bekämpft. Oder nehmen wir diese Schmerzcreme, bei der die Formel in die Haut einwirken soll, was natürlich völlig unmöglich ist. Der Wirkstoff kann einwirken, die Formel ist jedoch die Beschreibung des Wirkstoffes, sie kann natürlich nicht einwirken – man möchte es jedenfalls keinem Patienten wünschen.
Und dann ist da auch noch Joachim Lottmanns neues Buch „Unter Ärzten“. Vorangestellt ist ihm ein Zitat des Spiegel-Beau Matthias Matussek, dass die Psychoanalyse „… eine extrem wirkmächtige, aber eben grundfalsche Welterklärung“ wäre. Wie kann man nur so dumm sein, so etwas zu schreiben, frage ich mich. Und es dann auch noch abzuschreiben.
Welterklärungen können immer nur durch naturwissenschaftliche Theorien erfolgen, deren Gesetzmäßigkeiten sich empirisch überprüfen lassen. Die Psychoanalyse ist hingegen eine Deutungskunst, mit der man viele Probleme aus der Welt schaffen, jedoch niemals die Welt erklären kann.
Leider merkt man dem Buch von Lottmann dann auch an, dass der Autor an seinem Thema bereits gescheitert ist, bevor er den ersten Satz geschrieben hat. Tant pis, denn „Die Jugend von heute“ sollte eigentlich jeder lesen, der Kinder hat, und „100 Tage Alkohol“ ist mit seiner Ausführung der These von der Pornografisierung unserer Gesellschaft geradezu weitblickend und augenöffnend.
Bleibt für mich allein eine Frage übrig, die mich mir schon lange gestellt habe, und die erstaunlicherweise erneut an den Anfang dieser Kolumne weist, nämlich ob der Autor Lottmann mit seinem atemlosen Leben eigentlich glücklicher ist als ich selbst es bin?
Doch ich fürchte, ich werde jetzt erst recht keine Antwort darauf erhalten. Zum Glück. Denn so muss ich mich mit diesem Elend nicht auseinandersetzen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.