Von Bernd Niquet
Am vergangenen Sonntag ist im „Tatort“ im Fernsehen eine wichtige Grenze überschritten worden. Blut und Leichen gehören dort ja schon seit jeher zur Abendunterhaltung, doch bisher hatte man das Schlimmste nie gezeigt und stets die Kamera rechtzeitig weggeschwenkt.
Bis zum Sonntag. Da schießt sich ein Mann mit dem Gewehr in den Kopf – und man sieht das Hirn auf der Straße liegen. Ist das der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, uns so etwas zu zeigen? Vor allem, wo diese Szene nicht einmal eine dramaturgische Bedeutung besitzt. Sie ist völlig nebensächlich.
Gleiches gilt für den Film „Die Braut im Schnee“, der in derselben Woche im ZDF lief. Hier wird, als der Täter schon feststeht, eine zu Tode gefolterte Frau halbnackt in dünnem Slip, tot und dabei stehend (!) mit nach oben gefesselten Armen gezeigt.
In diesem Moment wird ganz klar und bewusst die Grenzziehung zwischen sexueller Lust und Folter übersprungen. Ein unglaublicher Vorfall in einem der Bildung der Öffentlichkeit verschriebenen Medium. Und auch hier hat diese unfassbare Zurschaustellung einer Frau nicht einmal etwas mit der Dramaturgie zu tun.
Warum ist das so? Wenn diese Tendenz anhält, werden wir sicherlich bald in unseren Fernsehkrimis in ARD und ZDF auch Kinderpornos sehen.
Ist diese Entwicklung durch den Wettbewerb um Einschaltquoten verursacht? Ich glaube das zwar nicht, denn kein Zuschauer weiß ja vorher um das Schreckliche und die Abartigkeiten, die hier ausführlich gezeigt werden.
Doch es ist nicht zu verleugnen, dass das intellektuelle Niveau zumindest der beiden hier besprochenen Fälle eine durchschnittliche Kasperletheatervorstellung kaum mehr übertrifft, so dumm, unstimmig und unrealistisch ist beinahe alles, was wir hier sehen. Wobei man dem Kasperletheater natürlich Unrecht tut, schließlich ist es ja absichtlich so und nicht aus Versehen, wie unsere Fernsehkrimis.
Als alter Freud-Fan könnte ich an dieser Stelle vielleicht deuten: Weil den Filmemachern das Hirn ausgegangen ist …, doch ich lasse das lieber sein. Mir ist auch keineswegs zu Scherzen zumute. Aber man müsste einmal eine Studie in Auftrag geben, wie viel mehr Morde es im Fernsehen zu sehen gibt, als in unserem Land tatsächlich passieren.
Derzeit laufen in Deutschland harte Kontroversen um unsere Zukunft. Ist es nicht verrückt, so viel Geld für Griechenland zu geben, fragen viele. Ist nicht das gesamte Finanzsystem aus dem Ruder gelaufen, die Banken außer Kontrolle geraten und selbst die Europäische Zentralbank weit abgewichen vom Kurs der Vernunft?
Ja, das sind alles schwierige Themen. Griechenland zu retten und das Finanzsystem und die Banken zu stützen, scheinen mir jedoch edle Motive zu sein, die ich durchweg unterstütze.
Verrückt scheint mir hingegen der Teil unserer Gesellschaft geworden zu sein, der die Möglichkeit besitzt, sich nach außen hin und in der Öffentlichkeit darzustellen. Hier wird grenzenlos ausgelebt, was auch noch den allerletzten Kick gibt.
Es soll nur hinterher niemand sagen, dass es nicht offensichtlich gewesen ist, dass ein Gemeinwesen so nicht funktionieren kann.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
***********************UND VERGESSEN SIE NIE: DIE WIRKLICHE WAHRHEIT LIEGT IMMER JENSEITS DES GELDES !!!
BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
Jetzt hier bestellen.
Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.