Von Bernd Niquet
Es sind in den vergangenen Wochen merkwürdige Dinge im deutschen Fußball passiert. Und da sich der Fußball immer als treffliches Spiegelbild der Gesellschaft erweist, haben diese Entwicklungen sicherlich übergeordneten Wert.
Wir sind zu einer Gesellschaft geworden, die für alles und jeden Verständnis aufbringt. Jede Minderheit besitzt heute mehr Rechte als die Mehrheit. Wer in ein Fußballstadion geht und das Spielfeld stürmt, ist eben einfach ein bisschen zu sehr begeistert. Und wer den Rasen mitnimmt und die Tore demontiert, na, du meine Güte, das sind doch alles liebe Andenkensammler.
Doch es bleibt ein großes Unbefriedigtsein auf allen Seiten zurück. Unser demokratisches Rechtssystem scheint nur schwer in der Lage zu sein, angemessen zu reagieren. Die formale Rechtsordnung, an sich ein extrem wichtiges und hohes Gut, wirkt hilflos. Und jeder Blick auf sie macht ratlos, böse und zornig.
Was da nach den Vorkommnissen beim letzten Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC jetzt abläuft, ist ein Nichts. Man hätte sich gewünscht, dass hier einmal ein Paukenschlag kommen möge, dass es so nicht weitergeht. Doch nichts dergleichen passiert.
Der Fall wird vielmehr in viele kleine Teilfälle zerlegt. Zunächst geht es um die Wertung des Spiels. Das Urteil in der ersten Instanz wirkt befremdlich. Ich hätte da nicht in der Auswärtsmannschaft stehen mögen. Andererseits kann man den Skandalauftritt der Berliner auch nicht belohnen. Doch über all das wird ja gar nicht entschieden. Es geht vielmehr um formale Schiedsrichterentscheidungen.
Ob und wann die Vereine jedoch wofür mit welcher Strafe belegt werden, steht hingegen in den Sternen. Ebenso das Schicksal der beteiligten Spieler. Man stelle sich vor, ein Kind frisst etwas aus – und man würde dann so mit ihm umgehen. Sagen, es war ja eigentlich alles gut und schön, aber vielleicht bekommst du eine Strafe. Das teilen wir dir jedoch erst im nächsten Jahr mit.
Und dann natürlich die Anreize, die von diesem unwürdigen Nachspiel gesetzt wurden. Steht es einmal kurz vor Schluss schlecht um die heimische Mannschaft, öffnet man schnell die Tore und lässt die Fans auf den Platz. Damit sie den Gegner mit ihrer Begeisterung und Liebe plattdrücken. Souvenirs in Form von Rasenstücken und Torteilen sind dabei natürlich fest versprochen.
Auch dass Leibesvisitationen der Fans durch das Hausrecht der Vereine nicht gedeckt sind, klingt wie ein übler Scherz. So jedoch kann jeder Böller und bengalische Lichter ungehindert am Körper ins Stadion tragen. Und hinterher regt man sich dann darüber auf, dass diese angezündet werden.
Das alles hat weder Hand noch Fuß, keinen Anfang und kein Ende. Aber vielleicht muss das beim Fußball so sein. Und Köpfe sind ja auch rund, selbst wenn sie nicht rollen. Um den Kreis zu quadrieren, müsste man erst einmal wissen, wie groß sein Umfang genau ist.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.