Von Bernd Niquet
Das Wesen von Revolutionen ist es eigentlich, dass man sie niemals vorhersehen kann. Es gibt jedoch Revolutionen, die hinterher durchaus plausibel sind, die eigentlich passieren „mussten“, es gibt aber auch Revolutionen, die wirklich unwahrscheinlich waren.
Für mich ist die Internet-Revolution eine Revolution, an die ich niemals richtig geglaubt habe. Und warum habe ich nicht daran geglaubt? Weil ich niemals gedacht hätte, dass der Mensch seine Sprache freiwillig eintauscht gegen das Tippen von Sätzen auf einer Tastatur.
Man muss sich ja auch nur mal im Netz umschauen. Wie peinlich das oft ist. Oder auch, wenn man Emails bekommt. Meine Güte. Wenn man jemanden auf der Straße, im Lokal oder in der Disco trifft, dann kann man sich schminken, neu frisieren oder gute Klamotten anziehen. Man kann sich sogar neue Zähne machen lassen oder zum Logopäden gehen, um nicht mehr zu lispeln. Gar Sprachunterricht kann man nehmen.
Doch was dagegen in den Mails und im Netz umherflattert, spottet oft jeder Beschreibung. Vielfach ist gar nicht zu verstehen, was gemeint ist, weil der Autor selbst von den grundlegendsten Kommaregeln noch nichts gehört hat.
Was da als „Visitenkarten“ umgeht, ist heftig. Aus diesem Grunde verstehe ich die Begeisterung über dieses Medium nicht. Und die damit verbundene Revolution erst recht nicht. Man tauscht doch auch nicht einen Bentley gegen ein Tretboot.
Vielleicht ist das natürlich auch ein persönliches Problem von mir. Noch heute baue ich beim Tippen so viele Unfälle, dass es länger dauert, diese hinterher zu beseitigen, als es gedauert hat, den gesamten Text zu schreiben. Und wie schön ist Reden doch dagegen!
Früher hatte mich mein Vater weichgeklopft, doch einen Schreibmaschinenkurs zu belegen. Denn wenn man Schreibmaschine schreiben könne, wäre alles leichter. Da hat er sicher Recht gehabt. Doch ich habe den Kurs nach ein paar Stunden geschmissen.
Was ich überhaupt nicht verstehe, ist, warum wir mit der Spracherkennungssoftware nicht weitergekommen sind. Ich hatte so etwas schon Mitte der neunziger Jahre, doch das war zugegebenermaßen noch nicht ausgereift. Doch seitdem sind mehr als 15 Jahre vergangen. Und immer noch tippen die Menschen ihre schlechten Rechtschreibkenntnisse auf Minitasten ihrer I-Sonstwasse, anstatt komfortabel zu reden.
Das ist schon wirklich äußerst verrückt. Vielleicht entspricht das aber auch eher unserer heutigen nüchternen Welt. Denn um wie viel einfacher ist es, „Ich liebe dich“ oder auch „Du Arsch“ auf die Tastatur zu tippen, als es jemandem Auge in Auge zu sagen.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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BUCH-NEUERSCHEINUNG: Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes“, Leipzig 2011, 506 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-408-3.
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Das Geld hat den Menschen aus langen historischen Abhängigkeiten befreit. Wer heute etwas haben möchte, bezahlt mit Geld und muss keine anderweitigen Gegenleistungen mehr anbieten. Die meisten Bereiche unseres Lebens liegen allerdings jenseits des Geldes. Wie steht es jedoch jenseits des Geldes mit der Freiheit? Bernd Niquet verfolgt den Lebensweg einer Gruppe von Menschen und stellt fest, dass selbst der Wegfall materieller Restriktionen uns nicht von unseren alten Fesseln befreit. Im Gegenteil, die Vergangenheit bestimmt weit stärker über uns als die gesamte Geldsphäre das je vermag.