Von Thomas Grüner
Seit die Insolvenzen der Silicon Valley Bank und der Signature Bank im März 2023 eine Panik bei den regionalen US-Banken ausgelöst haben, warten Anleger auf die Antwort auf eine wichtige Frage: Würden kleinere US-Banken ihre kostengünstige Finanzierungsbasis verlieren und damit die Kreditvergabe gefährden?
Leichte Entwarnung
Die Daten der US-Notenbank Fed zeigen, dass die Gesamteinlagen kleinerer US-Banken mit dem Übergang vom Frühling zum Sommer stabil geblieben sind und dass ihr Kreditwachstum – wenn auch langsamer – im Jahresvergleich immer noch zweistellig ist. Fraglich blieb, was Banken ihren Einlegern zahlen mussten, um sich weiterhin ihre Treue zu sichern, und wie sich das auf die Gewinne auswirken würde. Die Quartalszahlen der US-Regionalbanken brachten in der vergangenen Woche etwas Licht ins Dunkel: Die Ergebnisse waren ermutigend genug, um den Aktien der US-Regionalbanken eine Fortsetzung ihrer Erholungsbewegung zu erlauben. Nichts davon ist zukunftsweisend, aber die Ergebnisse zeigen, dass die breiten Aktienmärkte damit richtig lagen, sich zügig über die negativen Ereignisse hinwegzusetzen.
Das Zahlenwerk
Mehr als zwei Dutzend US-Regionalbanken meldeten in der Vorwoche ihre Ergebnisse für das zweite Quartal und gaben damit einen ziemlich repräsentativen Überblick darüber, wie die Branche zurechtkommt. Insgesamt fielen die Ergebnisse gemischt aus. Die Nettozinsmargen auf Kredite gingen bei fast allen Banken zurück, zwischen 4 und 64 Basispunkten. Damit lagen die Margen zwischen 2,12 Prozent und 4,28 Prozent. Der durchschnittliche Rückgang betrug 18 Basispunkte auf eine durchschnittliche Marge von 3,43 Prozent. Die Unternehmen berichteten, dass die Abwanderung von Einlagen zu größeren Instituten und Geldmarktfonds Anzeichen einer Stabilisierung zeigt, aber die meisten Banken nutzen Großkundeneinlagen, um den Abfluss von Privatkundeneinlagen abzufedern und die Liquidität zu erhöhen. Diese sind teurer als Privatkundeneinlagen, was dazu führt, dass die Refinanzierungskosten der Banken stärker steigen als die Kreditzinsen – daher auch der Rückgang der Nettomargen. Die Banken gehen davon aus, dass diese Trends bis zum Ende des Jahres anhalten werden.
Keine Katastrophe
Die Ergebnisse sind also nicht großartig, aber auch nicht annähernd so schlimm wie befürchtet. Für die Aktienmärkte ist die Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Realität ein wichtiger Einflussfaktor, in diesem Fall mit einer positiven Wirkung. Wenn Anleger eine Katastrophe erwarten und die Realität stattdessen einfach nur glanzlos ist, entsteht eine positive Überraschung. Schwächere Margen und moderate Rückgänge bei Einlagen sind keine Signale für einen systemischen Zusammenbruch. Zudem zerstören gewerbliche Immobilien entgegen weit verbreiteten Befürchtungen immer noch nicht die Bilanzen der US-Regionalbanken. Die Banken bilden zwar gemäß der US-Vorschriften zur Rechnungslegung mehr Rückstellungen für potentielle Verluste, aber es gibt keine offensichtlichen Anzeichen für eine größere Verschlechterung der Kreditvergabe – die Quote der notleidenden Kredite ist bei mehreren US-Banken sogar gesunken.
Fazit: Die Quartalszahlen der US-Regionalbanken spiegeln wider, was bereits geschehen ist – und nicht, was noch kommen wird. Somit haben diese Ergebnisse keinen Prognosecharakter für die Aktienmärkte. Sie untermauern aus unserer Sicht, was die Märkte bereits eingepreist haben – in diesem Fall, dass das Risiko einer Ansteckung durch die Silicon Valley Bank völlig überbewertet wurde.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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