Von Thomas Grüner
Nach Meinung vieler Experten ist der Marktaufschwung seit Oktober 2022 kein junger Bullenmarkt, sondern eher ein wackeliges Kartenhaus, das nur von sehr wenigen Aktien gestützt wird. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff der „Magnificent 7“ etabliert – Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Tesla und Meta. Es kursieren Berechnungen, dass die anderen 493 Aktien im breiten US-Aktienindex S&P 500 ohne diese sieben Helden sogar im Minus stehen. Bei genauerer Betrachtung lässt sich allerdings feststellen: Die Aktienrallye ist viel breiter angelegt als gedacht. Und dabei sind selbst ausgedehnte Führungsrollen von Aktien mit hoher Marktkapitalisierung („Large Caps“) nicht ungewöhnlich oder gar besorgniserregend.
Stilwechsel sind normal
Historisch betrachtet ist es völlig normal, dass Large Caps mal auf der Sonnenseite und mal im Regen stehen, auch über längere Phasen hinweg. Etwas ungewöhnlich ist es hingegen, dass Large Caps im aktuellen Börsenjahr die Nase vorn haben, denn wir befinden uns in der frühen Phase eines Bullenmarkts. Normalerweise führen Aktientitel mit kleiner Marktkapitalisierung und Value-Profil diese Marktphase an, da sie im vorangegangenen Bärenmarkt tendenziell am härtesten getroffen wurden und sich in der Regel anschließend am stärksten erholen. Dieser Effekt kann durchaus ein paar Jahre anhalten, da diese Unternehmen durch die vorgenommenen Kostensenkungen ein großes Gewinnwachstum erzielen. Sobald allerdings das Umsatzwachstum zu einer größeren Triebkraft wird, übernehmen in der Regel große und wachstumsstarke Aktien das Ruder, die tendenziell ihre Führungsposition wiederum über Jahre hinweg halten können.
Ungewöhnliche Vorgeschichte
Der Bärenmarkt des vergangenen Jahres war jedoch ungewöhnlich. Große Wachstumswerte wurden überproportional getroffen, weshalb sie in erster Linie vom „Bounce-Effekt“ in der frühen Phase des Aufschwungs profitierten. Aber auch diese Führungsrolle wird nicht ewig bestehen und wir können uns durchaus ein Szenario vorstellen, in dem Value-Werte in absehbarer Zeit wieder die Führung übernehmen. Dafür wäre nicht automatisch ein neuer Bärenmarkt erforderlich – es könnte auch passieren, wenn die Stimmung in Richtung Wachstum zu sehr aufgeheizt wird, oder sich die Weltwirtschaft wieder stark beschleunigt. Es ist also grundsätzlich zu kurz gedacht, von einem automatischen „Absturz der Märkte“ zu sprechen, sobald die „Magnificent 7“ nicht mehr funktionieren.
Im Übrigen sind die restlichen 493 Aktien im S&P 500 nicht schlecht gelaufen. Zu Beginn dieser Börsenwoche wiesen 310 Aktien im S&P 500 positive Renditen für das laufende Jahr auf. Neben Meta und Nvidia erzielten vier weitere Unternehmen dreistellige Renditen. Weitere sieben Unternehmen lagen zusammen mit Tesla in der Kategorie zwischen 75 und 100 Prozent. Microsoft und Amazon hatten 26 weitere Mitstreiter in der Kategorie 50 bis 75 Prozent.
Fazit: Wer über ein diversifiziertes Portfolio verfügt, das weit über die „Magnificent 7“ hinausgeht und sich über das gesamte Universum der Sektoren und Länder erstreckt – was im Hinblick auf das Risikomanagement auch Sinn ergibt –, der ist in diesem Börsenjahr wahrscheinlich gut gefahren. Obwohl die Technologiebranche und die technologieähnlichen Bereiche der Kommunikationsdienste ein großartiges Jahr erleben, sind sie nicht allein für diesen jungen Bullenmarkt verantwortlich. Viele Unternehmen und Branchen leisten Schwerstarbeit, das Fundament ist sehr solide.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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