Von Thomas Grüner
Schwankungen am Aktienmarkt können jederzeit, ohne Vorwarnung, aus jedem Grund oder einfach grundlos auftreten. Gerade aktuell sind sie moderat spürbar, nachdem der amerikanische S&P 500 seit Längerem wieder zwei Tage in Folge um mehr als 1 Prozent gefallen ist und die ersten Anleger verunsichert reagieren. In den Schlagzeilen werden die jüngsten Spannungen im Nahen Osten und die schwindenden Aussichten auf Zinssenkungen der US-Notenbank angeführt.
Volatilität ist normal und doch schwer auszuhalten. Wenn sie kommt, hilft es, historische Kontexte zu betrachten. Nein, Geschichte wiederholt sich nicht perfekt. Aber es ist wahr, dass es kaum etwas gibt, was für Aktien wirklich beispiellos ist. Wenn man sieht, wie die Märkte in der Vergangenheit mit Themen dieser Art umgegangen sind, können das Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit von Aktien gestärkt und die Berechnung von wahrscheinlichen Szenarien vereinfacht werden.
Zinsen sind nicht das Problem
Beispielhaft kann man die Sorgen um höhere Zinsen überdenken. Betrachtet man das aktuelle Zinsniveau, so ist es im historischen Kontext relativ moderat. Die durchschnittliche Fed Funds Rate der amerikanischen Federal Reserve lag seit 1971 bei 4,92 Prozent. Das aktuelle Niveau von 5,25 Prozent bis 5,5 Prozent ist nah dran. In den vergangenen 50 Jahren konnten Aktienmärkte sich jedoch hervorragend entwickeln und seit der ersten Zinserhöhung sind die globalen wie amerikanischen Aktienmärkte gestiegen und nicht gefallen. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen wurde genauso wenig vernichtet, wie der Konsum der privaten Haushalte. Die Welt kann sehr gut mit dem aktuellen Zinsniveau umgehen.
Weltwirtschaft adaptiert neue Situation
Sowohl in den 1980er Jahren als auch den 1990er Jahren lagen die Zinsen mindestens genauso hoch wie heute. Und ähnlich wie in der aktuellen Phase wusste die Gesellschaft sehr wohl, wie man mit teurerem Geld umgehen muss. Die Wirtschaft wurde nicht zum Stillstand gebracht. Der längste Bullenmarkt der Geschichte wurde nicht verhindert. Und auch heute wächst die globale Wirtschaft trotz höherer Zinsen weiter. Die Konsumenten haben das Wachstum getragen und mittlerweile gibt es vermehrt Anzeichen, dass mehr Unternehmen ihren vorsichtigen Pfad verlassen und zurück in die Offensive gehen, nachdem sie sich zwei Jahre auf eine globale Rezession vorbereitet hatten, die nie kam. Die hohen Zinsen sorgen aktuell nicht dafür, dass der Wirtschaft das Kapital ausgeht. Es mag den Menschen schwerfallen, dies zu begreifen, aber die Märkte sind im Allgemeinen recht gut darin, den Lärm zu durchschauen – selbst wenn die Nachrichten kurzfristig die Stimmung trüben.
Fazit: Bärenmärkte beginnen grundsätzlich nicht, wenn alle Anleger in höchster Alarmbereitschaft sind und davor warnen, dass jedes scheinbar negative Ereignis große Auswirkungen haben könnte. Diese Befürchtungen werden eingepreist, wodurch die Erwartungen nach unten korrigiert werden und es einfacher wird, dass die Realität nach oben überrascht. Nichts von alledem schließt jedoch eine Korrektur aus – einen scharfen, von der Stimmung getragenen Rückgang von 10 bis 20 Prozent. Eine solche ist jederzeit möglich, doch endet sie in der Regel genauso schnell, wie sie begonnen hat. Und da Korrekturen von der Stimmung abhängen, ist der Versuch, sie zu timen und zu umgehen, in der Regel eine vergebliche Übung. Meistens riskiert man, nach einem Kurssturz zu verkaufen und erst nach der Erholung wieder zu kaufen. Vermeiden Sie das!
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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