Von Bernd Niquet
Es war nur ein Fußballspiel der 3. Liga, nicht mehr als ein ordinäres Spiel in einer unterklassigen Liga, zudem in einem ruhigen Vorort von Berlin. Doch das Polizeiaufgebot schien mir, als komme hier der amerikanische Präsident zu Besuch und müsse gegen mögliche Anschläge des internationalen Terrorismus geschützt werden. Und über allem kreist ein Polizeihubschrauber. Dabei wurde nur ein Haufen jugendlicher Rüpel von der Ostseeküste erwartet.
Alles also im grünen Bereich, dachte ich. Doch selten sollte ich mich konsequenter getäuscht haben.
Ich habe nicht viel Erfahrung mit Sicherheitsmaßnahmen, ganz besonders nicht bei Fußballspielen. Umso interessierter habe ich das Geschehen verfolgt. Als ich zwei Stunden vor Spielbeginn in der Nähe des Stadions ankam, war es überall noch gähnend leer. Im italienischen Restaurant um die Ecke bin ich anfangs der Einzige, der draußen an einem der Tische auf dem Bürgersteig sitzt und seine Pizza isst. Nur die Polizei ist überall zu sehen.
Eine knappe Stunde vor Spielbeginn herrscht im Stadion dann ebenfalls noch gähnende Leere. Weil ich so viel Zeit hatte, war ich vorher noch einmal um das Stadion herumgelaufen. Das Ziel der Polizei ist es offensichtlich, die Fangruppen voneinander zu trennen. Die Heimzuschauer, zu denen ich ebenfalls zähle, können den direkten Weg zum Haupteingang nehmen, wohingegen die Auswärtsfans auf einem anderen Weg zum separaten Eingang ihres Blockes auf der gegenüberliegenden Stadionseite geleitet werden.
Und dazwischen überall Polizei, Hundertschaften. Alle Straßen gesperrt. Durchkommen tun nur noch Anwohner sowie Leute, die unverdächtig aussehen, so wie ich. Was für ein Aufwand, denke ich noch.
Als das Spiel dann beginnt und ich hinter dem Tor stehe, zündet keine zehn Meter von mir entfernt ein Feuerblitz. Von Panik erfasst stürze ich davon. Mein Bier lasse ich stehen und opfere es der Situation. Überall ist es jetzt voll von Rauch. Die Fans des Gegners lassen sich nicht lumpen und zünden nun ihrerseits Feuerwerk an. Das gesamte Stadion und die halbe Vorstadt sind jetzt in Nebelwolken gehüllt.
Das ist die berühmte Pyrotechnik. Und war ich vorher noch indifferent, ob man das verbieten oder den Fans lassen soll, so habe ich jetzt eine sehr klare Meinung dazu. Minuten später kommen dann ein paar Ordner aufgeregt an, heben den Zeigefinger und sagen: Du, du! Damit ist der Fall erledigt. Bis zur nächsten Pyroattacke. Aber die Polizei hat hier natürlich keine Macht, sie steht ja vor dem Stadion.
Nach Spielschluss ist dann der normale Zugang zum S-Bahnhof von einer Hundertschaft mit einem Dutzend Polizeiwagen mit blinkendem Signallicht abgesperrt. Wir Heimzuschauer müssen einen Umweg zu einem Nebeneingang laufen, auch dort ist alles voller Polizei, so dass man kaum in den Bahnhof hineinkommt. Ich ärgere mich, finde das aber dennoch gut. Denn die Logik erschließt sich mir: Man will vermeiden, dass die Fans auf dem Bahnhof aufeinandertreffen. Und über uns kreist mit lautem Getöse der Polizeihubschrauber.
Womit jedoch aus völliger Unkenntnis der Sachlage keiner der Polizeiplaner gerechnet hat, ist, dass trotz bestimmt fünfhundert Polizisten, zwei Dutzend Polizeiwagen und einem Hubschrauber, die marode S-Bahn gerade wieder Züge ausfallen lässt, so dass die nächsten Züge in beide Richtungen erst in knapp 20 Minuten fahren werden.
Und es geschieht, was doch eigentlich vermieden werden soll: Von der einen Seite kommen die Heimzuschauer und von der anderen die Auswärtsfans auf ein und denselben Bahnsteig, auf dem jedoch vorerst kein Zug fährt. Es ist fast, als wolle man hier bewusst ein Schlachtfest vorbereiten. Die Einsatzleitung der Polizei muss aus Volltrotteln oder Verbrechern bestehen. Lange habe ich keine solche Angst gehabt. Der Bahnsteig füllt sich von zwei Seiten, doch es kommt kein Zug. Es wird immer enger und es gibt kein Entkommen.
Im Endeffekt geht es jedoch gut aus. Aber nicht wegen der Polizei, sondern trotz der Polizei, und nur deswegen, weil die meisten Fußballfans friedlich sind. Bis zu diesem Tag war ich ein großer Fan der Polizei, doch jetzt mache ich mir echte Sorgen. Wer schützt uns denn eigentlich, wenn es wirklich einmal ernst wird? Da werden pro Jahr 100 Millionen für Polizeieinsätze vor Fußballstadien ausgegeben, für die zudem der Steuerzahler aufkommen muss, der an solchen Abenteuerspielen allerdings keinerlei Interesse hat, und so etwas kommt dann dabei heraus.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, "Jenseits des Geldes, Zweiter Teil", Leipzig 2012, 570 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-86268-873-9.
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