Von Wolfgang Braun
Die jüngsten Verluste bei Aktien werden hauptsächlich mit der Angst vor einem Ende der laxen Haltung der Notenbanken begründet. Seit jeher lösen Debatten über einen Wechsel in der Zinspolitik deutliche Kursausschläge an den Börsen aus. Das Ende einer Hausse wurde in der Vergangenheit für gewöhnlich aber nicht mit der ersten Anhebung des Leitzinses, sondern erst bei der zweiten oder dritten Verschärfung der Geldpolitik eingeleitet. Einer gut geölten Wirtschaft macht es wenig aus, wenn der Zins von 3 Prozent um ein viertel oder ein halbes Prozent erhöht wird. Zeichnet sich aber eine Anhebung auf 5 oder mehr Prozent ab, verdüstern sich die konjunkturellen Perspektiven. Die Aktienmärkte reagieren darauf mit fallenden Kursen.
Einmalige Lage
Fraglich ist allerdings, welche Bedeutung dieser „Zinsindikator“ im aktuellen Marktumfeld besitzt. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa liegen die Leitzinsen in der Nähe von Null und damit so tief wie nie zuvor. Dazu stützen die Zentralbanken (vor allem in den USA) die Finanzmärkte mit einer Reihe an weiteren Maßnahmen, die es in früheren Zeiten nicht gab. Schon lange wird darüber gerätselt, ob es möglich ist, die in den Märkten befindliche Liquidität überhaupt wieder einzusammeln. Gerne erfolgt dann der Vergleich mit der Zahnpasta, die – einmal herausgedrückt – kaum wieder in die Tube zurückzubekommen ist. Die einmalige Konstellation beim Vorgehen der Notenbanken stützt bislang die Märkte, führt aber auch zu Unsicherheit über die Folgen, wenn man zur Normalität zurückkehrt. Und die Börsen hassen bekanntlich Unsicherheit.
Höhere Volatilität
Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich ein Ende der laxen Geldpolitik ist. Aus den Vereinigten Staaten kamen zuletzt eher gemischte Konjunkturzahlen, weite Teile Europas stecken unverändert in einer Rezession. Sichere Anzeichen für eine sich selbst tragende Wirtschaftserholung gibt es dies- und jenseits des Atlantiks nicht. Zuletzt haben die Analysten ihre ehrgeizigen Prognosen für die zweite Jahreshälfte sowie 2014 tendenziell gekappt. Ich befürchte, dass hier noch Luft nach unten ist. Gleichzeitig könnten schwächere Konjunkturdaten die Sorgen vor einem voreiligen Ende der Liquiditätsschwemme abschwächen. Chancen für die Märkte gibt es damit weiterhin. Anleger müssen aber damit rechnen, dass die Kursschwankungen vorerst hoch bleiben.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur des Börsenbriefs „Aktien-Strategie“. Weitere Informationen zum Börsenbrief finden sie hier.
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