Von Jochen Steffens
Grundsätzlich ist dem Protokoll der US-Notenbank Fed zu entnehmen, dass die Daten für die weitere Entwicklung des US-Arbeitsmarktes und der US-Wirtschaft nach wie vor „gemischt“ ausfallen. Mit anderen Worten: Von einem klaren und starken Wirtschaftswachstum ist die USA noch weit entfernt. Und so besteht wohl auch kein Zweifel, dass die ultralockere Geldpolitik grundsätzlich weiter geführt werden soll. Aber darum geht es im Moment nicht. Es geht darum, wann der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Fed zurückgeführt wird. Dies hätte einen Anstieg der langfristigen Zinsen zur Folge. Und über die Auswirkung dieser steigenden Zinsen sind sich die Mitglieder des Offenmarktausschusses eben nicht einig.
Einige vertreten die Meinung, dass durch steigende Zinsen die Investitionen sinken und das Wachstum geschwächt wird. Andere erwarten, dass diese Effekte durch den Anstieg der Aktienkurse und der nach wie vor lockeren Geldpolitik kompensiert werden. Und genau das ist das eigentliche Problem. Daraus resultiert eine Uneinigkeit der Beteiligten, wann und wie schnell die Anleihekäufe zurückgeführt werden sollen.
Nahezu Einigkeit besteht jedoch darin, dass, sofern sich die US-Wirtschaft und der US-Arbeitsmarkt weiterhin so wie erwartet entwickeln, die Ankäufe von Staatsanleihen durch die Fed noch in diesem Jahr verringert werden sollen. Letztlich beendet werden soll das Ankaufprogramm dann Mitte 2014. Das jedoch ebenfalls nur unter der Voraussetzung, dass sich die Wirtschaft auch bis dahin noch so weiter entwickelt wie erwartet, die Arbeitslosigkeit in die Nähe von 7 Prozent fällt und die Inflation auf 2 Prozent ansteigt.
Kein fester Fahrplan
Um Unsicherheiten entgegenzutreten wurde dabei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass es bei der Beendigung der Anleihekäufe keinen festen Zeitplan gibt und auch die genannten Zielmarke nicht in Stein gemeißelt sind, sondern dass die weiteren Schritte eben abhängig von der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung sind.
Insgesamt kann man dem Statement entnehmen, dass ein sehr baldiger Start der Verringerung von Anleihekäufen (z.B. bereits im September) unwahrscheinlich ist. Und genau diese Erkenntnis hatte dann zu steigenden Kursen am Aktienmarkt geführt.
Zusammengefasst ist eigentlich nichts großartig Neues bekannt gegeben worden. Die Fed bleibt weiterhin sehr vorsichtig und verändert die Einschätzung der vorangegangenen Sitzungen nicht oder nur kaum. Die Sorgen der Anleger, die in den vergangenen Tagen zu einer Schwäche an den Märkten geführt hatte, wurden demnach nicht bestätigt. Nun wird es spannend zu beobachten, wie sich die Märkte in den kommenden Tagen entwickeln. Setzen sie den Aufwärtstrend fort, können Sie entspannen. Kommt es jedoch weiterhin zu Schwächesignalen, sollten wir immer vorsichtiger werden!
Es ist nach wie vor beachtlich, wie höchst vorsichtig die Fed die Märkte an die Tatsache heranführt, dass bald die Anleihekäufe beendet werden. Sie wird dabei nicht müde zu betonen, dass jeder Schritt an der wirtschaftlichen Entwicklung festgemacht wird, um jeden Eindruck zu vermeiden, dass die Fed es wagen könnte, die wirtschaftliche Erholung in den USA zu gefährden. Das alles dient dazu, die Märkte zu beruhigen.
Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Eigentlich muss man der Fed nur zuhören. Auch wenn hier viele Anleger der Fed nicht über den Weg trauen, so zeigte sich insbesondere in den vergangen Jahren, dass sie eigentlich immer genau das umsetzte, was sie sagte – sofern nicht unerwartete Ereignisse zu unmittelbarem Handeln zwingen.
Großes Experiment mit ungewissem Ausgang
Ob die Politik der Fed letztlich richtig ist, darüber kann man hingegen trefflich und sehr kontrovers diskutieren. Ich möchte mich hier nicht auf eine solche Diskussion einlassen. Meine Meinung kennen Sie. Ich glaube, dass die aktuelle Geldpolitik in Ermangelung von historischen Vergleichen ein großes Experiment ist, dessen Ausgang letzten Endes niemand, nicht einmal ein Ben Bernanke, kennt.
Unter anderem auch deswegen – und das wird gerne bei den erhitzten Diskussionen vergessen – weil zu viele Unbekannte in der Rechnung vorhanden sind (Entwicklung in China, in Europa, im Nahen Osten und natürlich auch die vielen Ereignisse, die keiner vorhersehen kann – denken Sie in diesen Zusammenhang als Beispiel an die Katastrophe in Fukushima).
Letzten Endes werden wir es erfahren. Nämlich dann, wenn dieses Experiment gescheitert oder gelungen ist. Alles andere bleibt Spekulation.
Sie wissen, wir bei Stockstreet sind pragmatisch. Wir handeln das, was wir sehen, egal ob es unseren Überzeugungen entspricht oder nicht. Der Markt hat immer Recht, egal wie unsinnig, unvernünftig oder sogar verrückt einem das Verhalten auch erscheinen mag. Sie sollten genau diese Einstellung übernehmen, denn damit verhindern Sie viele teure und schmerzhafte Fehler. Das meiste Geld verliert man, wenn man sich aufgrund irgendeiner Überzeugung gegen den Markt stellt. Doch leider ist es genau das, was so viele Anleger immer und immer wieder tun. Dann braucht es oft Jahre, bis man endlich einsehen will, dass die eigene Überzeugung an den Börsen nichts wert ist und dass der Markt immer stärker ist als man selbst.
Jochen Steffens ist Chefredakteur des kostenlosen Newsletters "Steffens Daily". Weitere Informationen finden sie hier.