Von Jochen Steffens
Am Mittwoch kamen Gerüchte auf: Die US-Notenbank Fed wolle die Nullzinspolitik so lange fortführen, so lange die Inflation zu niedrig bleibe. Nicht bekannt wurde allerdings, was „zu niedrig“ heißt. Aus anderen Zusammenhängen läßt sich aber ableiten, daß für die Fed eine Inflation unterhalb von 1,5 Prozent zu niedrig ist. Wie jedoch der genaue Grenzwert aussieht, bleibt offen. Dazu später mehr.
Bisher ist bekannt, daß die Fed ihre Niedrigzinspolitik zumindest so lange fortführen will, bis die Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent gefallen ist. Eigentlich sind das alles nur verbale Spielchen. Die Fed ist nach dem Federal Reserve Act dazu verpflichtet, sowohl für einen hohen Beschäftigungsstand als auch für Preisniveaustabilität zu sorgen. Im Prinzip ist es somit egal, welche Gerüchte umgehen oder was die Fed sagt. Sie muß in jedem Fall auf die Inflation und auf den Arbeitsmarkt achten. Es geht, wenn überhaupt, nur um die Grenzwerte, welche die Fed setzt. Aber auch hier hält sie sich alle Türen offen, indem sie sagt, daß das Erreichen dieser Marken keinen Automatismus einleitet. Kurz: Man kann sich eigentlich alle Spekulationen sparen, sie dienen lediglich dazu, den Markt zu unterhalten.
Nach wie vor ist die Fed dabei, die massiven deflationären Tendenzen in den USA zu bekämpfen. Wir erinnern uns an die legendäre Rede von Ben Bernanke 2001 mit dem Titel: „Deflation: Making Sure "It" Doesnt Happen Here.“ („Deflation, stelle sicher, daß es nicht hier geschieht“).
Die Deflation ab 1990 in Japan hatte die Volkswissenschaftler aufgeschreckt. Bis dahin dachte man, bei einer Fiat-Währung müsse man lediglich genügend Geld drucken, um jedwede Deflation zu vermeiden (Eine Fiat-Währung ist eine Währung, bei der das Geld selbst keinen eigenen Wert hat – im Gegensatz beispielsweise zu Gold-Münzen). Doch Japan strafte alle bis dahin gültigen Theorien Lügen. Und seitdem herrscht in den Notenbanken eine große Angst vor dieser japanischen Deflation. Denn bis heute hat noch niemand ein Mittel gegen diese Art der Deflation gefunden, das in der realen Wirtschaft erfolgreich getestet wurde.
Die Fed – vor allem Ben Bernanke, aber auch schon sein Vorgänger Alan Greenspan – gehen lediglich davon aus, daß die japanische Notenbank die Geldschleusen nicht schnell und weit genug geöffnet hat. Aber auch das ist bisher nur eine noch nicht durch die Realität bewiesene Theorie.
Folgen einer Deflation
Welche Folgen eine große Deflation haben kann, zeigt ein Blick auf den Nikkei 225-Index: Tatsächlich befindet sich der Nikkei nunmehr seit 23 Jahren (!) in einem klar definierten breiten Abwärtstrend. Und immer noch kämpft die japanische Notenbank gegen die Deflation. Und genau das ist es, warum Ben Bernanke so eindrucksvoll postulierte: „Deflation, stelle sicher, dass es nicht hier geschieht!“
Der Nikkei startet seit geraumer Zeit einen Versuch, aus diesem Abwärtstrend nach oben auszubrechen. Das heißt aber nicht, daß danach wieder ein Aufwärtstrend folgt. Viel wahrscheinlicher ist es, daß der Nikkei danach in eine Seitwärtsbewegung übergeht, die bereits seit knapp zehn Jahren zu erkennen ist:
Das heißt, ein langfristiges Kaufsignal würde erst ausgebildet, wenn der Nikkei die 18.300 Punkte-Marke nachhaltig (!) nach oben verläßt. Aber gut, man könnte natürlich auf einen Trendbruch und das folgende Erreichen dieser Marke traden. Hier muß man aber aufgrund des vergleichsweise ungünstigen Chance/Risiko-Verhältnis sehr vorsichtig vorgehen. Aber selbst wenn die 18.300 Punkte-Marke überwunden wird, wartet kurz darauf mit der psychologisch sehr wichtigen 20.000 Punkte-Marke der nächste große Widerstand. Immerhin kämpfte der Nikkei nach dem 1990er-Crash knapp zehn Jahre mit dieser Marke. Für Euphorie ist es also im Nikkei noch viel zu früh, aber es gibt erste Anzeichen der Hoffnung, daß zumindest die Abwärtsbewegung ihr Ende findet.
Kommen wir noch einmal zurück zur Deflation. Die Fed wird ihre geldpolitische Lockerung erst dann aufgeben, wenn sie klare und sehr nachhaltige Anzeichen einer sich verfestigenden Inflation erkennen wird. Meines Erachtens liegt die Untergrenze bei mindestens 1,8 Prozent, sicherlich wird die Fed kurzfristig aber auch durchaus Werte von 2,5 Prozent oder höher billigen. Und diese Akzeptanz würde damit begründet, dass es sich bei diesen Werten um kurzfristige Ausschläge nach oben handeln könnte. Niemand weiß jedoch, wann die Inflation in den USA anziehen wird.
Mal abgesehen von einigen stärkeren Konsolidierungen, die jederzeit möglich sind, müssen wir also davon ausgehen, daß die Aufwärtstrends in den USA mittelfristig fortgeführt werden und zwar so lange, bis entweder die Fed ankündigt, die Niedrigzinspolitik zu beenden (damit ist nicht die Rückführung der Käufe von Staatsanleihen gemeint, sondern tatsächlich Zinsanhebungen) oder aber sich tatsächlich eine manifeste Deflation einstellt (siehe Japan). Als langfristiger Investor muß man tatsächlich nur diese beiden Punkte beachten – einfach oder?
Nun, in der Theorie ja, aber in der Praxis können die eben beschriebenen stärkeren Konsolidierungen derweil ganz schön die Nerven zerfetzen. Aber wer hat auch behauptet, Börse sei einfach?
Jochen Steffens ist Chefredakteur des kostenlosen Newsletters "Steffens Daily". Weitere Informationen finden sie hier.