Von Bernd Niquet
Am Samstag vor der Schweizer Entscheidung hinsichtlich der Begrenzung der Zuwanderung kam ich mit der Bahn aus dem Skiurlaub nach Berlin zurück. Da wusste ich noch nichts von diesem Volksentscheid, doch ich erinnere mich noch sehr gut, was ich gefühlt und gedacht habe, als ich aus dem modernen ICE ausgestiegen und in die S-Bahn umgestiegen bin.
Ich habe meinen Rucksack an mich gedrückt und mich verunsichert umgeschaut. Würde ich diese Bahnhöfe und Züge nicht seit fünfzig Jahren kennen, dann hätte ich nicht gewusst, wo ich bin. Auf jeden Fall in einem dreckigen Land mit abgerissenen Menschen, lauter Bettlern, hochmütigen und aggressiven Jugendlichen, allesamt so verschiedener Herkunft, dass beim besten Fall daraus nicht darauf zu schließen war, in welchem Land ich mich befand.
Als dann am Sonntagabend das Schweizer Votum kam, musste ich an diese Eindrücke denken. Ich habe mir viele Diskussionen und Kommentare angehört, doch ich muss gestehen, dass mir der Schweizer Fall nicht klar ist. Manchmal ist wohl auch das Einfachste beinahe unendlich kompliziert.
Ändert sich denn jetzt überhaupt etwas, weil doch nur in diesem Jahr auslaufenden Regelungen ersetzt werden? Und was bedeutet es eigentlich genau, wenn trotzdem jeder, der in der Schweiz einen Arbeitsplatz hat, einwandern darf, andererseits Arbeitsplätze aber bevorzugt mit Schweizern besetzt werden müssen?
Bedeutet das jetzt die Außerkraftsetzung der Marktwirtschaft und die Einführung der staatlichen Lenkung? Ich muss sofort an Emil Steinbergers Telegrafenbeamten denken. Das alles ist doch gar nicht handhabbar.
Es gibt für mich auch so viele andere Fragen, auf die ich keine Antwort finde, ja, die nicht einmal gestellt werden in den ganzen Diskussionen: Zählt denn heute nur noch die Wirtschaft? Gibt es überhaupt nichts anderes mehr als das Geld? Muss mittlerweile alles akzeptiert werden, nur damit die Unternehmen ihre Stellen optimal besetzen können?
Gibt es keine anderen Werte mehr als Geldwerte und Unternehmenswerte? Der Mensch lebt doch nicht vom Geld allein. (Und Sie wissen ja selbst: Die wirkliche Welt liegt ohnehin „Jenseits des Geldes“, siehe unten.)
Was ich hingegen sehr gut verstehe, was mir aber mächtig gegen den Strich geht und sogar durchaus Angst und Bange erzeugt, ist die uniforme Reaktion unserer gesamten Medien und Politik. Meine Güte! Ich finde die europäische Freizügigkeit ja gut und bin für ein zusammenwachsendes Europa. Doch ist die dabei entstehende Vielfalt kompatibel mit der Einheitsmeinung, die heute überall von allen Menschen in den Medien vertreten wird?
Ich bitte, mich an dieser Stelle zu entschuldigen, aber für jemanden wie mich, der die Hälfte seines Lebens mit Blick auf die Mauer gelebt und durchaus regelmäßig DDR-Fernsehen geschaut hat, klingt das alles sehr nach Politbüro. Auch da hat man ja mit aller Macht und durch Verunglimpfung der Kritiker den selbst als richtig bezeichneten Weg durchgeboxt.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******DIE WIRKLICHE WELT LIEGT JENSEITS DES GELDES******
*******DER DRITTE UND LETZTE BAND GERADE ERSCHIENEN******
Bernd Niquet, "Jenseits des Geldes, Dritter Teil", Leipzig 2013, 607 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-95488-235-9.
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