Von Bernd Niquet
Ich habe nicht viele geschichtliche Lehren tief unten in mir verwurzelt. Zwei Dingen habe ich jedoch ganz tief gespeichert, dass sie niemals, niemals wieder geschehen dürfen:
Das sind: (1) München 1938 darf es nie wieder geben. Kein Appeasement mehr gegenüber Diktatoren. (2) Nie wieder Brüningsche Deflationspolitik.
Beides jedoch wird gegenwärtig mit großer Nonchalance praktiziert. Putin holt die Russen aus der Ukraine heim ins Reich wie weiland Hitler die Sudentendeutschen. Und keiner scheint diese Parallele zu sehen. Wir alle sitzen vielmehr da und glauben Putins Worten, nicht auf die Krim einmarschieren zu wollen. Dabei ist er doch längst da. Und in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal findet Brüning seine Wiedergeburt.
Doch es scheint einen Mann zu geben, den viele für noch schlimmer halten als Putin – und das ist Thilo Sarrazin. Am Sonntag habe ich dazu extra so früh wie noch nie den Fernseher angemacht, um bei Peter Hahne der Diskussion von Sarrazin mit Jakob Augstein über die Thesen seines neuen Buches über die Grenzen der Meinungsfreiheit zu lauschen.
Ich mag zwar Sarrazin nicht besonders, halte auch viele von seinen Ausführungen für zwiespältig, doch dass er mit seiner Behauptung eines in unserem Lande grassierenden Meinungskonfirmismus Recht hat, daran kann es aus meiner Sicht keinen Zweifel geben. Und ich bin fest der Meinung, dass der überwiegende Teil der Deutschen ebenfalls so denkt.
Natürlich darf bei uns de jure jeder alles sagen, ansonsten hätte Sarrazin sein Buch nie veröffentlichen können. Ich glaube jedoch, dass es gleichzeitig auch viele Tabubereiche gibt, bei denen jeder, der sie öffentlich betritt, sofort gesteinigt und verbannt wird. Und eigentlich weiß das doch jeder, denke ich, weshalb ich mich wundere, welche Aufruhr Sarrazins Buch erzeugt.
Während ich so vor dem Fernseher sitze, denke ich eigentlich wenig über Sarrazin nach, den ich als ganz normalen Bürger erlebe, der sagt, was er denkt. Mich quält vielmehr die Frage, warum mir dieser Jakob Augstein so eklig ist, dass ich fast nicht mehr hinschauen mag, obwohl er durchaus liebenswert wirkt, leger auftritt, sich liberal gibt und damit rundherum dem entspricht, wie ich mir einen sympathischen Menschen vorstelle.
Ich brauche fast die gesamte Woche, bis ich herausfinde, warum das so ist: Weil er für alles Verständnis zeigt, außer für das, was mir selbst wichtig ist. Dieser Mann ist nämlich gar kein Liberaler, er ist ein Wolf im Schafspelz, ein harter Ideologe und entschlossener Kämpfer für das, was ER für Liberal hält.
Andersdenkende werden von ihm dagegen hart bekämpft. Der wirklich Liberale in diesem Gespräch ist denn auch Sarrazin, der sagt, was er denkt, die anderen jedoch nach ihrem Gusto denken lässt. Augstein hingegen ist von der Mission getrieben, ein bestimmtes Denken zu unterbinden.
Das ist unglaublich gefährlich, finde ich, weil es eben nicht so leicht zu erkennen ist. Putin ist dagegen durchschaubar wie eine Fensterscheibe. Aber auch ungleich gefährlicher, das muss ich zugeben.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, "Jenseits des Geldes, Dritter Teil", Leipzig 2013, 607 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-95488-235-9.
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