Von Stefan Böhm
Kaum jemand hatte mit einem solchen Einbruch beim Öl gerechnet. Der Preisverfall weckt Erinnerungen an die große Krise 2008. Damals war der Ölpreis innerhalb weniger Monate um 75 Prozent abgesackt. Wird sich die Geschichte wiederholen? Es gibt durchaus Ähnlichkeiten, doch die Ausgangslage ist in diesem Jahr eine andere als 2008.
USA versus Saudi-Arabien – mehr als ein Machtkampf
Der Preisverfall ist 2014 nicht nur auf den Boom der Fracking-Industrie in Nordamerika zurückzuführen. 2008 zählten die USA noch zu den Ölimporteuren. 2008 war auch der Beginn der Schiefergasförderung in Texas. Damals förderten die USA 4,7 Millionen Barrel pro Tag. Heute hat sich die Fördermenge fast verdreifacht und die USA sind zum größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen – vor Russland und Saudi-Arabien. Die von den USA nicht mehr benötigten Importe wurden vom Markt lange Zeit schnell aufgesogen. Der Ölpreis blieb daher hoch. Doch die Ankündigung der US-Regierung, das Exportverbot für Öl zu lockern, gab dem Markt einen Knacks, denn auch die Nachfrage entwickelt sich schwächer als erwartet. Aber selbst als die Energiebehörde IEA zum zweiten Mal in diesem Jahr ihre Nachfrageprognose nach unten korrigierte, gab es bei den Produzenten keine Kürzung der Ölförderung. Dabei gibt es durchaus einige nicht zu unterschätzende Risiken auf der Angebotsseite, wie die IS-Terrormiliz im Irak oder das zerfallende Libyen. Tatsächlich rechnen die Marktteilnehmer mittel- bis langfristig mit steigenden Ölpreisen, das zeigen die Kurse am Terminmarkt. Das ist auch ein fundamentaler Unterschied zur Situation 2008, als vom Terminmarkt großer Druck kam. Haben wir das Tief beim Öl also schon gesehen? Das kann derzeit niemand seriös vorhersagen. Auch die Charttechnik gibt im Moment noch keine eindeutigen Signale, die auf eine Bodenbildung hindeuten würden.
Fazit: Die Lage bleibt unübersichtlich. So könnte es bis ins erste Quartal 2015 dauern, bis sich der Ölmarkt wieder beruhigt hat. Bis dahin sollten Sie sich auf volatile Kursausschläge gefasst machen, ein Preisrückgang auf 50 US-Dollar ist nicht utopisch. Da kurzfristig also noch Abwärtsrisiken bestehen, halten wir im Trading-Depot am WTI Short-Hebelzertifikat, das sich mit 87 Prozent im Gewinn befindet, fest. Für einen Einstieg auf der Long-Seite ist es noch zu früh.
Stefan Böhm ist Chefredakteur des DaxVestor.
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