Von Bernd Niquet
Eigentlich zog mich am vergangenen Sonntagabend alles früh ins Bett, doch ich wollte ja unbedingt den ersten Auftritt einer Vertreterin von Pegida im Fernsehen sehen. Und so bin ich aufgeblieben. Und es hat sich für mich auch gelohnt. Doch es wurde die allerschlimmste Fernsehstunde.
Eine Stunde beste Fernsehzeit, doch nicht einen einzigen vernünftigen Gedanken herübergerbacht. Das einzig Substantielle, was kam, war, dass abgelehnte Asylbewerber doch abgeschoben werden sollten. Mehr kam nicht. Einerseits war ich ärgerlich, andererseits spürte ich ein großes Mitleid für diese Frau in mir. Doch wenn man nichts zu sagen hat, sollte man auch nicht ins Fernsehen gehen.
Dabei war die Chance riesig. Alles war für sie gerichtet. Günther Jauch zeigte sich nett und harmlos wie ein wohlerzogener Gymnasiast und selbst die Politiker verhielten sich wohlwollend und handzahm. Doch wer dann trotzdem eine derartige Chance vergeigt, besitzt keine Existenzberichtigung im öffentlichen Raum.
Für mich ist Pegida seit diesem Abend tot.
Ich hatte Sympathien für die Proteste, weil ich das Gefühl hatte, dass hier Tabus angesprochen werden, und weil ich fand, dass man diese Leute zu Unrecht an die Wand gestellt hat. Ich bin selbst bei zwei Bärgida-Demonstrationen anwesend gewesen und habe beobachtet, was für friedliche Leute hier zugange waren, welche Aggressivität und welcher Hass und Zerstörungswut hingegen bei den Gegendemonstranten herrschte.
Doch seit Sonntagabend weiß ich, dass ich mich niemals mit den Pegida-Leuten gemein machen könnte. Und ich verneige mich insgeheim vor allen drei Politikern, die bei Günther Jauch eingeladen waren. Was das für vernünftige Leute sind. So müssen Konflikte ausgetragen werden. Denn es nützt nichts, zu protestieren, wenn man keine klare und akzeptable Zielvorstellung hat.
Was dann später über den Pegida-Organisator Lutz Bachmann an fremdenfeindlichen Äußerungen bekannt wird, stützt mich in meiner Entscheidung. Mit solchen Leuten darf man sich nicht gemein machen.
Dennoch fängt die Bachmann-Geschichte ja völlig anders an, nämlich mit dem Foto, auf dem er einen Hitlerbart trägt. Genau an dieser Stelle zeigt sich dann sofort wieder die Doppelmoral in unserer Gesellschaft: Wenn eine Zeitung die tiefsten Gefühle von Milliarden Menschen auf der Welt verletzt, jubeln alle auf und rufen: Freiheit für die Satire! Zeigt sich jedoch ein Lutz Bachmann mit Hitlerbart, ist das plötzlich ein Skandal und es wird nach der Staatsanwaltschaft gerufen.
Ich denke, wir leiden darunter, dass in unserem Land zwei Konzepte von Wahrheit existieren: Einmal haben wir das klassische Wahrheitskonzept, dass die Wahrheit nüchtern als Übereinstimmung mit den Tatsachen fasst, und das andere ist ein moralisches Wahrheitskonzept. Danach ist das wahr, was den selbsternannten Hütern unserer Werte gefällt, wohingegen das, was ihnen nicht entspricht, ausgemerzt werden soll. Und irgendwie ist diese Struktur derjenigen im Islamismus gar nicht so unglaublich artfremd.
Man erlebt diese zwei Wahrheiten jeden Tag. In Berlin beispielsweise dürfen Linksextremisten in der Politik nicht mehr Linksextremisten genannt werden, und ihre Taten, andere an der freien Meinungsäußerung zu hindern, nicht als kriminell bezeichnet werden. Weil das moralische Wahrheitskonzept der obersten Wertehüter auf dem linken Auge blind ist und sie ausschließlich nach rechts schauen.
Genau hier hat deshalb Pegida ihre Berechtigung gefunden. Und ich denke, diese Bewegung hat ihre Ziele bereits erreicht. Denn ohne Pegida gäbe es die ganzen Diskussionen jetzt nicht, auch keine Mahnwachen oder Aufforderungen der Kanzlerin an den Islam, seine Friedfertigkeit aufzuzeigen.
Jetzt jedoch muss politisch gehandelt und politisch entschieden werden.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, „Die bewusst herbeigeführte Naivität“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2014, 265 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-95744-306-9.
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