Von Wolfgang Braun
In Anbetracht des aktuellen Höhenfluges bei Aktien stellen sich zunehmend Fragen, wo wir aus Bewertungssicht stehen. Fakt ist: Anhand der von mir bei der Gesamtmarkteinschätzung favorisierten Kennziffer KBV hat der Dax mit 2,1 das Niveau aus dem vorangegangenen Aufschwung, der 2007 endete, inzwischen erreicht. Deutlich schwerer fällt der Vergleich mit dem Börsenboom um das Jahr 2000. Zeitweise erreichte das KBV damals mehr als drei. Allerdings bilanzierten die Unternehmen da noch nach dem deutschen HGB, das beim Ansatz der Positionen weit konservativere Vorgaben macht. Heute wird nach den internationalen Regeln bilanziert, die erheblich aggressivere Wertansätze ermöglichen.
Immer wackliger
Durch den Wechsel in der Bilanzierung wurden die stillen Reserven, die um die Jahrtausendwende noch in den Bilanzen vieler deutschen Großkonzerne schlummerten, gehoben. Stattdessen sammeln sich jetzt wackelige Positionen in Form von immateriellen Werten in den Büchern.
Ende des Geschäftsjahrs 2000 machten diese Wackelpositionen bei den 30 Dax-Mitgliedern zusammen 124 Milliarden Euro aus. Bis heute sind daraus 398 Milliarden Euro geworden. Das entspricht 63 (2000: nur 33) Prozent der ausgewiesenen Buchwerte. Mittelfristig lauern hier Abschreibungsgefahren, die aber wohl erst bei der nächsten Wirtschaftskrise richtig ins Kontor schlagen.
Bewertung höher als 2000
Letztlich werden mit dieser aggressiveren Bilanzierung zumindest teilweise Gewinne aus der Zukunft in die Gegenwart gezogen (weil im Gegensatz zu früher weniger Abschreibungen anfallen). Wenn Analysten derzeit also auf das im Vergleich zur Jahrtausendwende deutlich günstigere KGV verweisen, werden Äpfel mit Birnen verglichen. Interessant ist es, die Buchwerte einmal um die immateriellen Werte zu bereinigen und daraus ein modifiziertes KBV zu ermitteln. Für das Boomjahr 2000 ergibt sich (zum Höchststand im März) ein Wert von 4,2.
Aktuell liegt diese Kennziffer mit 5,4 deutlich darüber. Aus Bewertungssicht haben wir damit ein kritisches Niveau erreicht. Allerdings werden die Börsen von weiteren Faktoren beeinflusst, so dass der Aufwärtstrend durchaus noch etwas anhalten kann.
Wolfgang Braun ist Chefredakteur des Börsenbriefs „Aktien-Strategie“. Weitere Informationen zum Börsenbrief finden sie hier.
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