Von Bernd Niquet
Es ist erstaunlich, wie es immer wieder dazu kommt, dass schwierige Probleme plötzlich auf ein gänzlich anderes Ersatzthema gebracht werden und anschließend fernab jeder Rationalität ausschließlich im Boulevard abgehandelt werden.
Die Frage der Finanzhilfe an Griechenland durch die EU scheint allerdings ein zu wichtiges Thema für so etwas zu sein, schließlich wird es in wesentlichem Maße über das zukünftige Schicksal der EU entscheiden.
Der Einfachheit halber will ich es hier nur einmal aus rein deutscher Sicht behandeln. Fakt ist, dass wir als Bundesrepublik bisher mit 15,2 Milliarden Euro für KfW-Kredite an Griechenland haften und mit 42 Milliarden Euro für EFSF-Anleihen zur Finanzierung von Griechenland bürgen. (Hinzu kommt der Anteil der Deutschen Bundesbank an den Targetverbindlichkeiten der griechischen Notenbank in Höhe von mittlerweile insgesamt 91 Milliarden Euro.)
Der deutsche Staat hat also bisher nur Kredit gegeben und noch nichts gezahlt. Das ist bedeutsam, um diesen Fall zu verstehen. Unser Kalkül ist es dabei, dass Griechenland die Krise übersteht, denn dann hat sich unsere Vorgehensweise nicht nur als hilfreich, sondern als überdies profitabel erwiesen, da ja alle Kredite und Bürgschaften Einnahmen bringen. Da die Zinsen unter den Marktpreisen liegen und die Tilgung Griechenlands erst im nächsten Jahrzehnt beginnt, gibt es gute Chancen für die aktuelle Politikergeneration, ungeschoren aus dieser Sache herauszukommen.
Doch was ist mit der längeren Sicht? Großbritannien hat es zwischen 1810 und 1910 über hundert Jahre hinweg geschafft, mit einer Staatsverschuldung zu leben, die noch höher lag als die von Griechenland heute, und es ist nie zu einem Ausfall gekommen. Noch im Jahr 1950 betrugen die britischen Staatsschulden 200 Prozent des BSP und sind erst durch die Inflation der 1970er Jahre abgebaut worden.
Es geht also. Könnte dieser Weg daher auch bei Griechenland klappen? Die Antwort lautet leider ganz klar: Nein! Großbritannien hat nämlich in dieser Zeit von seinen staatlichen Auslandsvermögen gezehrt. Die Griechen haben hingegen nur private Auslandsvermögen, doch sie sind dem Zugriff des Fiskus entzogen.
Griechenland hat also langfristig in diesem System kaum eine Chance, zu gesunden. Griechenland hat auf die lange Sicht genausowenig eine Chance, wie es Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg nicht möglich war, seine Kriegsschulden zu leisten. Es sei denn, wir bekommen wieder eine große Inflation, was jedoch aufgrund der gestiegenen internationalen Konkurrenzmechanismen auf den Märkten nahezu ausgeschlossen ist.
Warum hat man dann jedoch diesen Weg gewählt? Weil wir auf lange Sicht ohnehin alle tot sind. Unsere Politiker haben dem schlechten Geld gutes Geld nachgeschossen, weil alle Fälligkeiten erst nach ihrer Amtszeit liegen.
Sie haben sich aber auch aus guter Solidarität so verhalten und in dem richtigen Glauben, dass es unmöglich ist, im Euroraum einen generellen Schuldenschnitt zuzugestehen, wie Griechenland ihn gewollt hätte, weil dann alle Problemländer damit kommen würden und das nicht zu verkraften wäre.
Aus diesem Grunde muss jetzt auch an den Vereinbarungen mit Griechenland festgehalten werden. Zugeständnisse sind nicht möglich. Griechenland besitzt nur zwei Optionen, entweder sich den geschlossenen Vereinbarungen zu beugen oder aus dem Euro auszusteigen. Und wir müssen einerseits auf die Vereinbarungen pochen und anderenfalls Griechenland ziehen lassen, wenn das Land das will. Etwas anderes ist nicht denkbar.
Beide Wege sind äußerst problematisch, der Grexit auf kurze Sicht und der Verbleib auf lange Sicht. Wichtig ist dabei anzumerken, dass ein Schuldenschnitt die aktuelle Situation Griechenlands keineswegs verbessern würde, weil Griechenland ja kaum Tilgungen zu leisten hat. Und was Griechenland dennoch an seine Gläubiger überweist, zahlt Griechenland gar nicht selbst, sondern bekommt es in Form von Targetguthaben von den anderen Notenbanken zur Verfügung gestellt.
Es ist daher egal, was jetzt passiert, es wird ohnehin teurer als wir uns das je vorstellen können.
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Bernd Niquet, „Die bewusst herbeigeführte Naivität“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2014, 265 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-95744-306-9.
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