Von Bernd Niquet
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den Grünen und der katholischen Kirche? Im Grunde genommen gibt es hier nur marginale inhaltliche Differenzen, vom formalen Rahmen her sind sie beide vollkommen identisch: Beide sind extrem dogmatisch und wollen den Menschen vorschreiben, was sie zu denken und zu tun haben. Und sie sind beide pädophil veranlagt und tun sich gleichermaßen schwer, das aufzuarbeiten.
Doch es gibt ja noch viel mehr Schandtaten in unserem Land: Nehmen wir einmal an, jetzt käme mit Macht der Sommer und es gäbe im ganzen Land kein Bier zu trinken. Das wäre tragisch. Doch wie würden wir reagieren, wenn wir erfahren würden, dass der Grund für diesen Streik darin liegt, dass die kleinen Brauereien gezwungen werden, die Preise des Marktführers zu übernehmen? Würden wir dann versuchen, zusammen mit der Bild-Zeitung die kleinen Brauereien zu schlachten?
Nicht viel anders sieht es ja beim gerade in die Schlichtung gehenden Bahnstreik aus. Ich denke: Das, was derzeit allgemein gefordert wird, nämlich die Unterordnung einer kleinen Gewerkschaft unter den Tarifabschluss einer großen Gewerkschaft, das kann man machen. Man sollte sich aber im Klaren darüber sein, dass so etwas einem liberalen Marktsystem widerspricht.
Andererseits geht es natürlich auch nicht, dass eine kleine Gewerkschaft ein ganzes Land lahmlegt. Das erinnert mich an Arthur Scargill und den Bergarbeiterstreik 1984/85 in England. Es wird also schwer, das gegeneinander abzuwägen. Die Schlichter haben eine unlösbare Aufgabe vor sich. So etwas muss die Politik regeln.
Das ist aus meiner Sicht auch das wahre Übel an den bisherigen Bahnstreiks, dass sich das alles in einem Unternehmen abspielt, welches zu hundert Prozent dem Bund gehört. Hier könnte und müsste der Bund ein Machtwort sprechen und eine Entscheidung herbeiführen. Warum weist er nicht den Vorstand seines Unternehmens an, den Forderungen der Gewerkschaft nachzugeben? Er kann diese Vereinbarung doch nachher im Wege des Gesetzgebungsverfahrens wieder kassieren.
Und vor allem: Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn die Beschäftigten bei der Bahn jetzt unterschiedliche Löhne und Gehälter beziehen würden? Das ist doch mittlerweile überall in der Wirtschaft der Fall, wo Beamte, Festangestellte, Zeitangestellte, Leiharbeiter, Praktikanten und Volontäre oft die gleiche Arbeit unter völlig unterschiedlichen finanziellen Bedingungen leisten.
Ich finde das auch nicht toll, was die GDL hier durchgezogen hat und vielleicht bald wieder durchzieht. Doch was in unserer Öffentlichkeit dazu abgelaufen ist, war wieder einmal dasselbe, was immer passiert: Es wird nur herumgelabert und keiner, der die Möglichkeit hätte, zu handeln, tut es, weil es ja für ihn viel sicherer ist, sich nicht zu bewegen und schon gar nicht aus dem Fenster zu lehnen.
Viel besser ist es doch, sich einen Sündenbock zu suchen und ihn öffentlich an die Wand zu stellen. Ich bin sicher, den Bahnvorständen war der Streik schnurzegal. Denn ihre Pfründe werden dadurch nicht angekratzt und mit der Bahn fährt von denen sowieso niemand. Die haben alle eine dunkle Limousine mit Fahrer. Wieso sich daher aufregen? Da legt man doch lieber ganz in Ruhe die Platte mit den Sonntagsreden auf.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, „Die bewusst herbeigeführte Naivität“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2014, 265 Seiten, 14 Euro, ISBN 978-3-95744-306-9.
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