Von Marc Nitzsche
Irren ist ja bekanntlich menschlich. Daher verwundert es nicht, dass selbst ausgewiesene Experten mit ihrer Markt-Einschätzung häufig völlig daneben liegen. So stellte die Vereinigung Kautschuk produzierender Länder (ANRPC) im März für 2015 noch einen ordentlichen Anstieg des weltweiten Ausstoßes in Aussicht. In der Folgezeit zweifelten dann aber immer mehr Händler wegen den im historischen Vergleich sehr niedrigen Preisen für Natur-Gummi an dieser Vorhersage, woraufhin die Notierungen zwischen Mitte April und Ende Mai um knapp 20 Prozent anzogen. Fundamental mutet diese Rallye allerdings reichlich übertrieben an, auch wenn die Angebotssorgen durchaus berechtigt sind.
Geringere Produktion schürt Defizit-Ängste
Immerhin musste die ANRPC unlängst einräumen, dass die Produktion ihrer Mitglieder, die zusammen für 90 Prozent des Welt-Outputs verantwortlich ist, in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres um 2,3 Prozent zurückgegangen ist. Speziell im Haupterzeuger-Staat Thailand wurde der Anbau zurückgefahren, um die Kurse zu stützen. Diese künstliche Verknappung soll laut den Analysten von „The Rubber Economist“ in den Jahren 2015 bis 2017 zu einem Primär-Defizit von rund 200.000 Tonnen führen.
Nachfrage überschätzt
Diesem Szenario liegt jedoch die Annahme zugrunde, dass die Nachfrage im genannten Zeitraum dynamischer als das Angebot wächst. Bedenkt man aber, dass China wegen der schleppenden Konjunktur von Januar bis Mai 2015 15 Prozent weniger Kautschuk als im Vorjahr importierte, scheinen die Auguren den Bedarf zu überschätzen. Daher dürften die Kautschuk-Preise auf dem aktuellen Niveau eher fallen als steigen, zumal die Lagerbestände sehr hoch sind.
Marc Nitzsche ist Herausgeber des Rohstoff-Trader.
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