Von Stefan Böhm
Griechenland hier, Griechenland da – wahrscheinlich können Sie wie auch ich das Thema nicht mehr hören. Doch das Leben ist kein Wunschkonzert und trotz der Einigung zwischen den Euroländern wird uns das Thema noch eine ganze Weile erhalten bleiben. So besteht weiterhin ein gewisses Restrisiko, dass der mühsam ausgehandelte Kompromiss doch scheitert, weil das Parlament in Athen sowie einige nationale Parlamente zustimmen müssen.
Auch die Zukunft der Regierung Tsipras ist sehr ungewiss. Dennoch ist die große Unsicherheit nun erst einmal aus dem Markt. Der Grexit ist kein Thema mehr und könnte uns höchstens nochmal serviert werden, wenn die Griechen am Mittwoch nicht liefern. Das jedoch ist unwahrscheinlich. Auch die vielen anderen Hürden, die es noch zu nehmen gilt, sind nicht unumschiffbar. Daher ist es nun an der Zeit, trotz der Restrisiken das Thema Griechenland allmählich abzuhaken und sich Europa als Ganzes anzunehmen – die Aussichten für den alten Kontinent sind seit langer Zeit wieder einmal vielversprechend.
Konjunkturerholung geht weiter
Nach den schwachen Jahren 2012 und 2013 gelang es 2014 sowohl der Eurozone also auch der EU als Ganzes die Rezession zu überwinden und wieder Wachstum zu generieren. Der Wachstumsprimus ist gemäß dem Frühjahrsgutachten der EU-Kommission ausgerechnet der ehemalige Krisenstaat Irland, der 2015 um 3,6 Prozent wachsen soll. Doch auch Spanien mit 2,8 Prozent, Portugal mit 1,6 Prozent und selbst Italien mit 0,6 Prozent werden in diesem Jahr wieder wachsen. Glaubt man der Prognose, dann wird sich der positive Trend 2016 sogar nochmals verstärken. Gute Voraussetzungen also für europäische Aktien.
Die Geldpolitik bleibt als kurstreibender Faktor für europäische Aktien ebenfalls erhalten. Die EZB wird ihr Anleihekaufprogramm wie geplant fortsetzen und trotz der sich verbessernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und sich zart regender Preisimpulse den Fuß nicht zu früh vom Gaspedal nehmen. Wie lange sich eine Zinswende hinziehen kann, sehen wir derzeit in den USA. Obwohl die US-Wirtschaft bereits deutlich weiter auf dem Erholungspfad fortgeschritten ist, zögern die US-Notenbanker mit der ersten Zinserhöhung. Bis in der Eurozone dieser Punkt erreicht sein wird, dauert es noch sehr lange. Aus charttechnischer Sicht hat der Euro Stoxx 50 seinen mittelfristigen Abwärtstrend durchbrochen und damit ein neues Kaufsignal geliefert. Der Weg zurück zum Widerstand bei 3.800 Punkten und darüber hinaus ist damit frei.
Fazit: Die Aussichten für Aktien aus der Eurozone haben sich weiter verbessert. Ein gewisses politisches Risiko des Scheiterns gibt es zwar, allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Kompromiss jetzt nochmal platzt – denn das hätte drastische Konsequenzen für alle Beteiligten.
Stefan Böhm ist Chefredakteur des DaxVestor.
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