Von Stefan Böhm
Kaum jemand hat angesichts von Abgasskandal und anderer wichtiger Themen offenbar das Debüt des ersten Immobilienunternehmens im Dax interessiert – die Medienberichte hielten sich jedenfalls in Grenzen.
Wenn auch Sie sich bisher nicht mit Vonovia (früher: Deutsche Annington) beschäftigt haben, grämen Sie sich nicht: Sie stehen nicht allein. Auch den Profis geht es so: In die von IBES berechnete Konsensusprognose für den Gewinn pro Aktie gehen beispielsweise aktuell nur die Schätzungen von 9 Aktienanalysten ein. Die meisten Dax-Aktien kommen hier auf 25 bis 32 Schätzungen.
Vonovia will Deutsche Wohnen übernehmen
Das dürfte sich aber in nächster Zeit ändern, zumal Vonovia weiter daran arbeitet, seine Marktposition als Nummer eins unter den deutschen Immobilienunternehmen auszubauen. Zuletzt lieferte der Konzern einen Paukenschlag: Vonovia will für etwa 14 Milliarden Euro die Deutsche Wohnen kaufen, ihrerseits die Nummer zwei in Deutschland. Geboten werden 83,14 Euro in bar für 11 Deutsche-Wohnen-Aktien sowie 7 Vonovia-Aktien. Aktuell entspricht dies einem Gegenwert von etwa 26 Euro je Aktie. Das liegt 7 Prozent über dem Kurs der Deutsche-Wohnen-Aktie vor dem Angebot. Dieser Aufschlag ist nicht allzu üppig, zumal wenn der Wert der Vonovia-Anteilsscheine, die ja Teil des Angebots sind, weiter schrumpfen sollte.
An der Börse kam der Coup nicht besonders gut an, die Vonovia-Aktie gab deutlich nach und fiel auf den tiefsten Stand seit Mitte August. Kein Wunder, müsste das Unternehmen zur Finanzierung des Kaufs eine Kapitalerhöhung vornehmen, die Aktie und Gewinn verwässern würde. Charttechnisch lässt der Fall der Vonovia-Aktie unter die Unterstützung bei 27,80 Euro weitere Kursverluste befürchten. Die Papiere der Deutsche Wohnen konnten sich dagegen auf hohem Niveau behaupten.
Andere Fusion soll verhindert werden
Ob die Aktionäre der Deutsche Wohnen das nicht allzu üppige Angebot annehmen, ist aber fraglich. Zumal auf den Baranteil des Kaufpreises vermutlich Abgeltungssteuer fällig würde. Der Vorstand der Deutsche Wohnen wehrt sich mit Kräften gegen die feindliche Übernahme. Kein Wunder, ist das Kaufangebot doch auch taktischer Natur: Die Deutsche Wohnen hat im September Pläne für eine Fusion mit der Nummer drei in der Branche, LEG Immobilien, bekannt gegeben. Auch wenn das die Spitzenposition von Vonovia nicht gefährden würde, schmecken würde das dem Branchenprimus nicht. Voraussetzung für das Angebot ist daher, dass die Aktionäre der Deutsche Wohnen bei der Hauptversammlung am 28. Oktober die Übernahme von LEG Immobilien ablehnen.
Vonovia wächst aggressiv, wie bereits die Übernahme der Gagfah für 4 Milliarden Euro Ende 2014 unterstrichen hat. Diese Strategie soll offenbar beibehalten werden. Ob der Konzern aber eine weitere Fusionen derzeit verkraften und in höhere Gewinne ummünzen kann, ist keineswegs sicher. Viele Unternehmen sind an einem zu hohen Tempo beim externen Wachstum gescheitert. Eines ist aber sicher: Die Marktkapitalisierung der Aktie würde weiter steigen und das würde auch die Position des Titels im Dax stärken.
Fazit: Das Pokern um die Übernahme der Deutsche Wohnen wird für weitere starke Kursschwankungen bei Vonovia sorgen. Langfristig hängt die Entwicklung der Aktie zum einen davon ab, wie gut die Zukäufe integriert werden und zum anderen davon, wie sich der deutsche Immobilienmarkt entwickelt. Besonders bei Letzterem sind wir optimistisch. Aktuell ist die Vonovia-Aktie kein Kauf, bei einer weiteren Kursabschwächung bis in den Bereich von 25/26 Euro würde sich das aber meiner Ansicht nach ändern.
Stefan Böhm ist Chefredakteur des DaxVestor.
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