Von Bernd Niquet
Als ich von dem fürchterlichen Bahnunglück in Bayern hörte, musste ich als Allererstes daran denken, dass man dort vielleicht genauso leichtsinnig gewesen war wie ich selbst und für zentrale Bereiche das neue Windows 10 aufgespielt hatte.
Die wirklichen Schrecklichkeiten sehe ich jedoch ganz woanders. Sicherlich bin ich durchweg wehleidig und realitätsfern, doch wenn ich mir beispielsweise die Achse „Verdun Februar 1916 – Aleppo Februar 2016“ anschaue, kommt bei mir nur noch Verzweiflung auf.
Wir haben tatsächlich nichts gelernt.
Und ich muss mir selbst auch eine Menge Fehler eingestehen, manche Dinge schlichtweg zu simpel gesehen zu haben. Da waren zu viele einfache Lösungen in meinem Kopf, die keinen Bestand haben. Auch die Guten besitzen durchaus ihr Böses, und diejenigen, die ich für durchweg schlecht gehalten habe, zeigen gute Seiten.
An erster Stelle denke ich hierbei an die Türkei. Da habe ich von „Präsident Erdogan und seinen Schergen“ geschrieben, die uns die Flüchtlinge vom Hals halten sollen. Doch jetzt finde ich, dass die Türkei sich in der Flüchtlingspolitik eigentlich vorbildlich verhält.
Natürlich ist es einfach, von der Türkei zu verlangen, die Grenzen aufzumachen und alle Flüchtlinge ins Land zu lassen. Doch wie soll das weitergehen? Die Türkei ist kein so reiches Land wie wir und hat mit rund 2,2 Millionen Flüchtlingen bisher die meisten Flüchtlinge aller Länder aufgenommen.
Ich besitze Verständnis und Sympathie für das, was die Türkei in dieser Hinsicht jetzt macht. Im Grunde genommen ist es genau das, was mir selbst immer vorschwebte: Flüchtlingslager direkt an der Grenze, eine gute Versorgung der Flüchtlinge dort (wobei noch nicht klar ist, ob Letzteres tatsächlich so ist) und ein Pochen auf Flugverbotszonen über diesen Regionen.
Das jedoch wollen die Russen natürlich nicht, weil das ihre eigene Unterstützung des Assad-Regimes behindert und sie deshalb darauf verweisen, das wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Und der Westen ist zu schwach, etwas dagegen zu machen.
Auf diesen Punkt lässt sich leider immer wieder alles bringen: Der Westen ist völlig ohnmächtig. Er hat letztlich die Grundlagen für das geschaffen, was dort unten jetzt aufbricht, man schaue sich dazu nur einmal das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 und die Pariser Vorortverträge nach dem Ersten Weltkrieg an, wie der Westen dort mit dem Lineal die Grenzen durch alle Ethnien hindurch gezogen hat, die jetzt allesamt aufbrechen.
Die EU ist mittlerweile zu einem Debattierklub verkommen, den kaum noch jemand ernst nimmt, und was die Amis machen und nicht machen, verstehe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Es ist alles so hoffnungslos.
Dabei höre ich immer wieder, dass gerade in den sogenannten „sozialen Netzwerken“, bei denen ich noch nie verstanden habe, was daran sozial sein soll, scheinbar alle Leute Patentlösungen zu besitzen scheinen, was derzeit zu tun und zu unterlassen sei.
An dieser Stelle versagen mir dann endgültig die Worte.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* DAS ENDE EINES LANGEN ZYKLUS *** NEUES BUCH *******
Bernd Niquet, „IN TIEFSTEN SCHICHTEN“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2015, 327 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-95744-926-9.
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