Von Bernd Niquet
Ich hatte schon lange von den Behauptungen gehört, dass Donald Trump die US-Wahl nur durch Internet, Facebook und Twitter gewonnen hat, doch mir war nie genau klar, wie das gelaufen sein könnte.
Als ich jetzt jedoch die Einzelheiten lese, haut mich das regelrecht um. Das ist, als zöge man mir den Boden unter den Füßen weg.
Grundlage ist eine Wissenschaft, die sich Psychometrie nennt. Sie behauptet, aus den von Menschen im Netz hinterlassenen „Likes“ auf deren Persönlichkeit schließen zu können. Ich habe keinen Zweifel daran, dass das geht.
Was ich jedoch nicht wusste, ist, dass erstens diese Daten verkäuflich sind und man zweitens auch den umgekehrten Weg gehen kann, nämlich aus den bei Facebook und anderen vorhandenen Psychogrammen von beispielsweise 220 Millionen Amerikanern gezielt nach denen zu suchen, die bestimmte Merkmale aufweisen – oder eben gerade nicht.
Und ich wusste nicht, dass es Firmen gibt, die damit gezielt und offiziell Wahlkampfmanagement betreiben. Sowie dass diese Firmen sowohl für Trump als auch in Europa für die Brexit-Befürworter gearbeitet haben.
Damit ist eigentlich alles gesagt. Ich denke jedoch, dass man an dieser Stelle, wenn ich das einmal so weit vereinfachen darf, unterscheiden sollte zwischen Fakten und Theorie. Dass man aus einer gewissen Anzahl von Likes Menschen einschätzen kann, halte ich für einen Fakt. Der Datenverkauf, die Menschensuchmaschine und die Wahlkampffirmen sind ebenfalls Fakten.
Ob die darauf basierenden Datenauswertungen jedoch tatsächlich wahlentscheidend waren, ist für mich vorerst eine Theorie. Es ist jedoch die einzige Theorie, die mir die Resultate der seltsamen Brexit- und US-Präsidentschaftswahlen erklären kann, die unbestreitbar anders verlaufen sind als alle Wahlen vor Anwendung dieser Mechanismen.
Haben wir nicht beim Brexit gemerkt, dass die Menschen hinterher selbst nicht erklären konnten, warum sie die Lügen, die ihnen vorgegaukelt wurden, tatsächlich geglaubt haben? Jetzt wird es klar: Weil man genau wusste, wen man vor sich hatte und was man deshalb sagen musste, um dort Glauben zu finden.
Und es wird klar, warum Donald Trump oft genug sich diametral widersprechenden Unsinn von sich gegeben hat: Weil man so eben jeder Gruppe genau das einspielen konnte, was bei ihr Eindruck erzielt.
Ich bin sehr gespannt, was die kommenden Monate hinsichtlich der empirischen Überprüfung dieser Theorie bringen werden. War sie bereits wahlentscheidend? Kann man einen signifikanten Einfluss nachweisen?
Und mir wird jetzt schon ganz schlecht, wenn ich an die anstehende Bundestagswahl bei uns denke, wenn den vielen Wankelmütigen in unserem Land von den Extremisten, die unbedingt gewählt werden wollen, täglich Extremistisches und die Mehrheit desavouierendes Gedankengut aufs Brot geschmiert wird.
Der Publizist Jakob Augstein hat diese neue Waffe eine neue Atombombe genannt. Ich bin geneigt, ihm teilweise zuzustimmen, habe aber dennoch eine gute Nachricht auf Lager: Denn letztlich kommt es immer darauf an, ob die Adressaten, denen man auf diese Weise gezielt ihr Lieblingsfutter vorsetzt, es auch fressen.
Bei mir wird man sich daran die Zähne ausbeißen, das weiß ich. In Hinsicht auf den Großteil unserer Bevölkerung bin ich hingegen rabenschwarz pessimistisch.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* DAS ENDE EINES LANGEN ZYKLUS *** NEUES BUCH *******
Bernd Niquet, „IN TIEFSTEN SCHICHTEN“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2015, 327 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-95744-926-9.
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