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Sind wir zu optimistisch?

Donnerstag, 29. Juni 2017 um 08:26

Von Thomas Grüner
Kurz vor Ende des ersten Halbjahres 2017 fällt das Zwischenfazit für die Märkte durchweg positiv aus. Europäische Aktienindizes entwickeln sich in einem unruhigen politischen Umfeld sehr robust, der Dax erreicht ein neues Allzeithoch und notiert 2017 knapp 10 Prozent im Plus. Auch für die US-Indizes fällt die Bilanz positiv aus, vor allem der Technologie-Index Nasdaq setzt seinen Höhenflug fort. Getrübt wird diese Freude für Euro-Investoren jedoch durch die Tatsache, dass der US-Dollar gegenüber der Gemeinschaftswährung 8 Prozent verliert.

Gold schlägt sich wacker, die Zinsen in Europa bleiben tief, auch die Zinspolitik der Fed erfüllt die Erwartungen der Marktteilnehmer. Zudem ist die Entwicklung im ersten Halbjahr 2017 frei von größeren Korrekturbewegungen. Alles verläuft nach Plan! Oder?

Welcher Plan?

In der Rückbetrachtung wird die Entwicklung der Märkte gerne zum logischen Selbstläufer deklariert. „Das war ja klar“ hört man in diesen Tagen oft. Ruft man sich allerdings die Erwartungshaltung zu Beginn des Jahres 2017 nochmals in Erinnerung, ist keineswegs alles nach Plan verlaufen. Bezüglich Dax und Europa war die Stimmungslage zum Jahreswechsel sehr verhalten. Richtungsweisende Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland vor der Brust, die Gefahr einer aufkeimenden europafeindlichen Politik, mangelnde Kursfantasie, ungelöste Probleme. Das Handelsblatt titulierte im Rahmen seiner Experten-Umfrage im Januar: „Der Dax wird kaum steigen. Die politischen Turbulenzen in Europa dürften ihren Tribut fordern.“ Dementsprechend wurde dem Dax im Schnitt bis zum Jahresende ein Kursplus von lediglich 2 Prozent zugetraut. Wer mehr als 12.000 Punkte prognostizierte, wurde als „optimistisch“ eingestuft. Exportstarke Nationen wie Deutschland sollten durch den „schwachen Euro“ weiterhin Rückenwind erfahren, so ein Argument der positiv gestimmten Experten. Aha. Es kam ganz anders!

Es liegt nahe, dass die aktualisierten Umfragewerte das neu erreichte Kursniveau „antizipieren“ und sich der veränderte Marktkonsens oberhalb von 13.000 Punkten bewegen wird. Einige Banken haben bereits unterjährig ihre Erwartungshaltung an die neue Realität angepasst. Somit sind die mit Spannung erwarteten Updates der Prognosen mit Sicherheit ein interessanter Stimmungstest, als Leitfaden für erfolgreiche Investitionen jedoch nach wie vor ungeeignet. Der Marktkonsens liegt in den seltensten Fällen richtig und ist eher ein Kontraindikator.

Optimismus im Test

Eine von Merrill Lynch durchgeführte Studie unter Fondsmanagern zeigt, dass 44 Prozent der Befragten eine Überbewertung im Aktienmarkt erkennen, Tendenz steigend. Immerhin 18 Prozent bewerten die Entwicklung im Tech-Sektor als blasenähnlich. Eine Parallele zum Jahr 2000, in dem verzweifelt neue Bewertungsmaßstäbe angesetzt wurden, um die eigene Gier zu rechtfertigen, ist nicht erkennbar. Setzt sich die moderate Erwartungshaltung der vergangenen Jahre in den kommenden Umfragen fort, haben es die Märkte weiterhin leicht, positiv zu überraschen.

Fazit: Wer den Dax zum Jahresende 2017 bei 12.000 Punkten sieht, gilt heute als vorsichtig. Zu Jahresbeginn hätte man ihn noch als unverbesserlichen Optimisten bezeichnet, vor fünf Jahren als realitätsfremden Träumer. Vernünftige Anleger machen ihre Strategie zum Glück nicht an diesen kurzfristigen – und fast immer falschen! – Prognosen der Banken fest. Auch in diesem Jahr gilt: Bereits zur Jahresmitte werden viele Banken ihre Prognosen der Realität anpassen. Hören Sie also nicht auf die Prognosen der Banken, nutzen sie diese als Kontraindikator.

Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.

Thomas Grüner
ist Firmengründer und Chief Investment Officer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.


Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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