Von Thomas Grüner
Für Aktienkäufer ist der Einstiegspreis ein entscheidender Faktor. Befindet sich eine Aktie im eigenen Depot im Plus, ist es auf den ersten Blick eine gute Aktie – läuft sie ins Minus, ist sie schlecht. Die subjektive Meinungsbildung ist sozusagen fest mit dem Kaufkurs verankert. Vorsicht, tappen Sie nicht in diese Falle!
Subjektive Einschätzung
Ein simples Beispiel: Anleger A kauft eine Aktie zu 50 Euro. Er hält sie über einen längeren Zeitraum hinweg, bis sie 100 Euro erreicht. Anleger B ist grundsätzlich defensiver gegenüber Aktien eingestellt als Anleger A, aber da die Performance der Vergangenheit stimmt, holt er sich dieselbe Aktie bei 100 Euro ebenfalls ins Depot. Im Rahmen einer marktbreiten Korrektur fällt sie relativ schnell auf 80 Euro.
Anleger B ist verärgert. Er hat die Aktie wohl zu teuer gekauft! Den – wie immer rückblickend sehr schlauen – Medien ist zu entnehmen, dass eine Kurskorrektur dieser Art natürlich zwangsläufig und absehbar war. Anleger B wünscht sich, er hätte bei -20 Prozent einen Stopp-Kurs gesetzt, um diesen „Fehler“ abzuhaken und nicht noch weitere Verluste ertragen zu müssen.
Wie nimmt Anleger A diese Situation wahr? Zum Zeitpunkt des Kaufs von Anleger B befindet sich die Aktie im Depot von Anleger A bereits 100 Prozent im Plus. Im Rahmen der Korrektur fällt sie auf 80 Euro und die Performance verringert sich auf 60 Prozent. Anleger A könnte sich ebenfalls ärgern, dass er im Zwischenhoch keine Gewinne realisiert hat – aber auf der anderen Seite will er langfristig investiert sein und ist nach wie vor von der Qualität des Unternehmens überzeugt. Er schätzt die Dividenden, die im gesamten Zeitraum ausgezahlt wurden. Alles gut und er ist zufrieden.
Dieselbe Aktie (dasselbe Unternehmen) und zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen. Wer hat Recht? Dieses Beispiel zeigt, wie komplett subjektiv die Wahrnehmung in volatilen Märkten sein kann. Der Einstiegskurs erzeugt eine emotionale „Null-Linie“, diese ist für jeden einzelnen Anleger anders verankert. Das Grundproblem: Eine Aktie weiß nun mal nicht, wann sie von wem und in welcher Währung gekauft wurde! Diese Analysen taugen nichts! Sie tappen damit lediglich in die fatale Falle Ihrer Emotionen.
Sinnvolle Unternehmensbeteiligungen
Die wahre Qualität einer Aktie offenbart sich nicht in kurzfristigen Zeiträumen. Natürlich können einzelne Aktien phasenweise dynamischer sein als andere. Sie können mit ihrer Umsatz- und Gewinnentwicklung positiv überraschen oder durch diverse Faktoren auf Länder- und Sektorenebene begünstigt werden. Auf der anderen Seite können substanzhaltige Unternehmen aufgrund temporärer Problemstellungen auch in einem positiven Marktumfeld als klare Verlierer dastehen. Der volatile Markt produziert temporäre Gewinner und Verlierer am laufenden Band!
Der langfristige Blickwinkel hilft dabei, diese Entwicklungen zu relativieren. Letztendlich kommt es auf die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens an, basierend auf einer starken Marktposition und einem nachhaltigen Management über mehrere Marktzyklen hinweg.
Fazit: Eine erhöhte Volatilität stellt sich immer wieder als Härtetest für die emotionale Belastbarkeit der Anleger heraus. Für 2018 gilt es, sich von der subjektiven und kurzfristigen Sichtweise zu lösen und bei Einzelentscheidungen immer wieder die strukturellen Vorteile einer langfristigen Unternehmensbeteiligung in den Vordergrund zu stellen. Die Fakten sollten Ihre Emotionen schlagen!
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Thomas Grüner ist Firmengründer und Chief Investment Officer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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