Von Bernd Niquet
Was ist eigentlich in Deutschland los?
Ich bin oft mit dem Rad in unserem Land unterwegs und da die Radkarten und die Ausschilderung oft mangelhaft sind, muss ich mich durchfragen. Und wie verhalte ich mich dabei? Ich realisiere, dass ich fremd bin, passe mich daher an und bin nett.
Ich setze die Sonnenbrille ab, bevor ich zu jemandem hinfahre, denn das wirkt immer irgendwie gangstermäßig und schafft Distanz, sage freundlich „Guten Tag“ und frage nach dem Weg. Es ist dabei noch niemals vorgekommen, dass jemand nicht nett und zuvorkommend mir gegenüber gewesen ist.
Neulich stand ich auf dem Kirchplatz einer kleinen mecklenburgischen Stadt, vor der Kirche, die schon den Dreißigjährigen Krieg überlebt hat. Auf den Bänken sitzen mecklenburgische Rentner und schwatzen, ein paar eilige Geschäftsleute sind zu sehen, und plötzlich kommt eine nahezu vollverschleierte Frau mit einem Haufen Kindern und geht in ein Haus nahe der Kirche.
Ich weiß nichts darüber, ich habe jedoch nur ein einziges Gefühl und einen einzigen Gedanken in diesem Moment in mir, und der lautet: Das geht nicht! So kann das nicht funktionieren!
Natürlich hat jeder Mensch das Recht auf seinen eigenen Kopf und seinen eigenen Gott. Ich will daher einmal sagen, wie das bei mir war: Nach der Schule, da hätte ich ums Verrecken niemals einen Anzug angezogen und einen Schlips umgebunden. Und dennoch musste ich mich schließlich in so ein Scheißding hineinzwängen. Weil ich ansonsten keinen Job bekommen hätte.
Können wir daher eigentlich nicht von unseren Gästen das Gleiche verlangen, was wir selbst ebenfalls tun müssen?
Am nächsten Tag spielen dann die Franzosen bei der Fußball-WM. Es ist eine Freude, zu sehen, wie sie alle leidenschaftlich mitsingen, egal ob weißer oder schwarzer Hautfarbe. Sie sind alle stolz, Franzosen zu sein. Und das größte Problem der dunkelhäutigen Franzosen besteht darin, möglicherweise nicht als richtige Franzosen angesehen zu werden.
Wenn ich dagegen die Fußballer mit Migrationshintergrund in unserer Nationalmannschaft sehe, ist das ein Trauerspiel. Habe ich hier den Eindruck, dass jemand stolz ist auf das Land, für das er spielt? Irgendwie sehen viele dieser jungen Männer eher danach aus, dass sie sich vielleicht doch lieber anders entschieden hätten. Das ist ja prinzipiell auch okay so.
Ginge es nach mir, würde ich die alle rausschmeißen. Wer sich hier nicht anpasst, soll sich wegmachen. Jeder Arbeitnehmer in Deutschland muss an jedem Tag das Lied seiner Firma singen. Deshalb kann man das von den Herren Fußballgöttern auch verlangen. Was man dann zu Hause macht, ist hingegen etwas völlig anderes und jedem freigestellt.
Und überhaupt, die Erdogan-Affäre der beiden türkischstämmigen Fußballer: Was wäre wohl gewesen, wenn sich ein deutscher Nationalspieler öffentlich als Wähler der AfD geoutet hätte? Man hätte ihn bestimmt aus dem Kader geworfen.
Das ist Deutschland. Und das ist in Deutschland los und nicht los.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* DAS ENDE EINES LANGEN ZYKLUS *** NEUES BUCH *******
Bernd Niquet, „IN TIEFSTEN SCHICHTEN“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2015, 327 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-95744-926-9.
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