Von Thomas Grüner
Diverse Ängste um die Verschuldung Italiens haben eine lange Tradition. Im Zusammenhang mit der populistischen Regierung sind diese Ängste mittlerweile in eine ganz neue Dimension vorgedrungen. Anleger fürchten sich vor exzessiven Ausgaben und dem endgültigen Bruch mit Europa. Die Erwartungshaltung der Anleger ist extrem niedrig.
Chaos ohne Ende?
Inmitten dieses politischen Wirrwarrs wird dabei gerne übersehen, dass Italien nach wie vor von einer ausgeprägten politischen Pattsituation beherrscht wird. Auch die jüngste Emission italienischer Staatsanleihen zeigt, dass die Situation gar nicht so ausweglos ist, wie sie in der Öffentlichkeit gerne dargestellt wird.
Am 28. Juni 2018 emittierte der italienische Staat Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit im Volumen von 2,5 Milliarden Euro sowie Anleihen mit fünfjähriger Laufzeit im Volumen von 2,0 Milliarden Euro. Marktbeobachter äußerten sich zunächst kritisch, weil die Ausgabe „nur“ 1,26-fach beziehungsweise 1,34-fach überzeichnet war – in vorangegangenen Emissionen war die Nachfrage höher. Andererseits ist die Nachfrage immer noch größer als das Angebot. Folglich sind noch genügend Investoren gewillt, Geld an den „Pleitestaat“ zu verleihen. Zu einer Verzinsung von 2,8 Prozent für zehnjährige Anleihen und 1,8 Prozent für fünfjährige Anleihen!
Schuldendienst beachten
In vorangegangenen Publikationen habe ich bereits mehrfach thematisiert, dass Italien im aktuellen Zinsumfeld immer noch hervorragende Möglichkeiten besitzt, den Schuldendienst nach unten zu drücken, unbeeindruckt von langsam ansteigenden Zinsen. Die jüngsten Emissionen belegen dieses Prinzip erneut eindrucksvoll. Innerhalb der neuen Refinanzierung wurden zehnjährige Anleihen vom 27. Juni 2008 abgelöst, für die Italien noch einen Zins von 5,1 Prozent berappen musste. Ebenso abgelöst wurden fünfjährige Anleihen vom 27. Juni 2013 mit einem Zins von 3,5 Prozent. Mit anderen Worten: Der Schuldendienst hat sich Ende Juni ein weiteres Stück verbilligt!
Gefahr durch höhere Zinsen?
Der Prozess sinkender Refinanzierungskosten ist seit Jahren im Gange. Aktuell müssen 14 Prozent der italienischen Steuereinnahmen für die Zinszahlungen aufgewendet werden. Im Jahr 1990 waren es noch 40 Prozent! Mittlerweile hat Italien die durchschnittliche Laufzeit der Schulden auf sieben Jahre erhöht – in weiser Voraussicht, das Niedrigzinsumfeld so nachhaltig wie möglich im Schuldenportfolio zu konservieren. Ein kurzfristiger Anstieg der Zinsen ist somit in erster Linie nicht gefährlich: Sie müssten für längere Zeit auf einem höheren Niveau verharren, um nachhaltigen Einfluss auf das Schuldenportfolio auszuüben. Aktuell muss man feststellen: Die Zinsen sind in etwa halb so hoch wie vor sieben Jahren.
Fazit: In der Realität herrscht in Italien sicherlich nicht eitel Sonnenschein. Instabile Regierungen erschweren seit jeher die Reformpolitik, die absolute Höhe der Staatsverschuldung lässt sich nicht wegdiskutieren. Immerhin: Banken bauen ihre faulen Kredite ab, die italienische Wirtschaft wächst mit einem moderaten Tempo und der prozentuale Schuldendienst verringert sich seit Jahren. Die jüngsten Emissionen italienischer Staatsanleihen zeigen, dass es dem „kranken Mann“ Europas besser geht als es die politisch geprägten Diskussionen vermuten lassen. Sobald Anleger realisieren, dass die fundamentale Situation in Italien und insbesondere in Europa jede Menge positives Überraschungspotential in sich trägt, kann sich der laufende Bullenmarkt mit neuer Kraft durch das skeptische Umfeld kämpfen.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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