Von Stephan Feuerstein
Am heutigen Dienstag sollte eigentlich das britische Parlaments über die Ausstiegsmodalitäten aus der Europäischen Union abstimmen. Bislang scheint es so, als ob es der britischen Premierministerin May nicht gelingen wird, eine Mehrheit für den mit der EU ausgehandelten Vertrag zu bekommen. Die Folge wäre ein ungeordneter Brexit mit entsprechenden Verwerfungen an den Aktien- und Devisenmärkten. Ob sich die EU auf eine Nachverhandlung einlässt, darf bezweifelt werden. Dennoch hat May im Angesicht der drohenden Niederlage am Montagabend die Abstimmung in letzter Minute verschoben. Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben und es ist nicht davon auszugehen, dass die EU bei dem ausgehandelten Kompromiss noch einmal tiefgehende Änderungen zulässt.
Persönliche Befindlichkeiten
Leider scheinen viele Parlamentarier ihr „eigenes Süppchen“ kochen zu wollen und daher darauf zu setzen, dass der ausgehandelte Deal mit der EU durchfällt. So sind einige der Meinung, man könne noch viel mehr herausholen, andere warten nur auf ein verheerendes Abstimmungsergebnis mit anschließenden Neuwahlen und einem damit verbundenen Regierungswechsel. Last but not least gibt es aber auch noch genügend Parlamentarier, denen der Brexit von Beginn ein Dorn im Auge war und die nun darauf hoffen, dass es nach der voraussichtlichen Abstimmungsklatsche einen Rücktritt vom Austritt geben könnte. In jedem Fall leidet das Land bereits jetzt unter den politischen Spielchen, was sich nun noch weiter verstärken könnte.
Keine Liebesheirat
Nun hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Großbritannien einseitig den Rücktritt wieder auflösen könnte. Hierzu wird nicht die Zustimmung der Europäischen Union benötigt. Man darf daher gespannt sein, ob diese Option nach dem verschobenen Abstimmungstermin eine mögliche Lösung darstellt. Gespannt darf man dann aber auch auf die Reaktionen des Maktes sein. Schließlich darf bei dieser Option nicht von einer „Liebesheirat“, sondern vielmehr von einer Zwangsgemeinschaft ausgegangen werden. Ein gutes Fundament für eine weitere Zusammenarbeit würde also auch beim „Exit vom Brexit“ nicht vorhanden sein. Man sollte daher von so einem Schritt nicht zu viel positiven Einfluss auf die Märkte erwarten. Aber mit der in letzter Minute verschobenen Abstimmung gilt es nun zunächst, auf die kommenden Tage zu achten. Gibt es doch weitere Verhandlungen mit der EU? Eines ist in jedem Fall sicher: Über den kommenden März hinaus dürfte eine Entscheidung nicht aufgeschoben werden. Doch vielleicht wird ja auch der Austrittstermin noch verschoben, wenn das Ergebnis bis dahin nicht passt.
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes "Hebelzertifikate-Trader". Weitere Informationen zum Börsenbrief finden sie hier.
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