Von Bernd Niquet
Gerade hat das World Economic Forum in Davos begonnen. Ich weiß noch, wie ich selbst dort einmal hingefahren bin, man mich aber als freien Journalisten dort nicht akkreditieren wollte. Trotzdem war das eine große Sache.
Vorher hat immer in Zürich in einem großen Hotel die Internationale Kapitalanleger-Tagung stattgefunden, auf der ich gewesen bin. Lange Jahre. Mit vielen der Top-Referenten, die danach nach Davos gefahren sind.
Als ich in diesem Jahr nach dieser Tagung gesucht habe, habe ich sie nicht mehr gefunden. Man hat sie wohl eingestellt. Nach bestimmt dreißig Jahren. Da überlege ich mir natürlich sofort: Und was sagt uns das jetzt?
Ich denke, es hat bestimmt etwas mit dem Internet zu tun. In Davos fehlen auch viele wichtige Staatschefs in diesem Jahr, allen voran Donald Trump. Und dessen Metier ist ebenfalls eher das Internet, denn eigentlich twittert er mehr als er redet.
Wenn man die anderen nicht besonders gut leiden kann, ist das Internet natürlich immer die beste Lösung. Und selbst wenn, ist es weit kostengünstiger. Die Tagung in Zürich hat im Jahr 1999, als ich wohl das erste Mal dort gewesen bin, mehr als 2.000 Schweizer Franken gekostet. Heute hingegen kann man sich jeden Experten für einen Bruchteil davon im Internet herunterladen.
In all dem liegt natürlich auch eine große Gefahr. Ich muss dabei an John Maynard Keynes denken, der gerade wieder etwas Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnte, weil vor hundert Jahren in Paris die Friedensverhandlungen im Anschluss an den Ersten Weltkrieg stattgefunden haben. Paris 1919.
Damals wurde die halbe Welt neu aufgeteilt. Und dem Deutschen Reich ein Vertrag aufgenötigt, der dem Ökonomen Keynes so zuwiderlief, dass er seine Position als Unterhändler des britischen Finanzministeriums niedergelegt hat. Noch im selben Jahr ist seine Position dann unter dem Titel „The Economic Consequences of the Peace“ als Buch veröffentlicht worden, das auch in deutsch erhältlich und sehr lesenswert ist.
Ich will jedoch auf etwas anderes hinaus: Keynes „General Theory“ von 1936 ist von der Angst durchzogen, dass in den USA, die in dieser Zeit immer mehr zur Mediengesellschaft werden, die Normalverteilung der Meinung zunehmend außer Kraft gesetzt wird und immer mehr Menschen dieselbe Meinung vertreten. Was natürlich für die Börsen tödlich ist.
Spätestens an dieser Stelle merkt man natürlich etwas: Denn passiert heute nicht ganz Ähnliches auch bei uns? Und nicht nur an der Börse? Es gibt zwar keine Einheitsmeinung, doch es gibt gleichsam zwei Einheitsmeinungen, die sich immer unversöhnlicher gegenüber stehen. Und eine dritte Meinung scheint wohl langsam nicht mehr zu existieren.
Mittlerweile sind wir anscheinend im Zeitalter der zweiwertigen Logik angekommen. Et tertium non datur.
Und was sagt uns das jetzt? Die Polkappen schmelzen zwar ab, die Polarisierung nimmt jedoch deutlich zu. Und dass nach der Internationalen Kapitalanleger-Tagung jetzt vielleicht auch bald Davos obsolet werden könnte?
Nein, das sicher nicht. Auch nichts Gravierendes in der Umwelt. Eher weit Schlimmeres.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. VIERTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2018, 618 Seiten, 18 Euro
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Bernd Niquet erzählt darin die Geschichte vom ungewöhnlichen Leben seines Protagonisten weiter. Auch dieses Mal geht es um die grundlegende Frage, an der der Autor seit mittlerweile drei Jahrzehnten arbeitet, nämlich wie sich das Leben und die Reflexionen darüber im Zeitablauf entwickeln und verändern. Und wie bei jeder echten Entwicklungsgeschichte, so ist auch hier kein Ende absehbar. Die ersten drei Bände von »Jenseits des Geldes« sind in den Jahren 2011 bis 2013 im Engelsdorfer Verlag erschienen, und die nächsten drei Teile existieren bereits in Rohform und werden vom Einbruch der Flüchtlingskrise in die abgeschottete Welt, von anwachsenden Auseinandersetzungen sowie einem niemals für möglich gehaltenen Zerwürfnis handeln.
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