Von Thomas Grüner
Mittlerweile sind die Zahlen für die US-Handelsbilanz zum Jahresende 2018 veröffentlicht worden – leicht verzögert durch die teilweise Stilllegung der US-Regierung. Demnach ist das Handelsdefizit der USA im Dezember um 18,8 Prozent auf sagenhafte 59,8 Milliarden US-Dollar gestiegen! Dies dürfte nicht nur Donald Trump, sondern auch vielen kritischen Marktbeobachtern ein Dorn im Auge sein. Lassen sich tatsächlich negative Folgen für die US-Wirtschaft oder die Aktienmärkte ableiten?
Viel Aufregung um wenig
Aus unserer Sicht ist die große Aufregung nicht gerechtfertigt. Die Handelsbilanz eines Landes gibt grundsätzlich keinen Aufschluss darüber, ob die wirtschaftliche Entwicklung gesund ist oder nicht. Ein Handelsdefizit reflektiert keine Summe, die finanzielle Verpflichtungen nach sich zieht und ausgeglichen werden muss. Im Falle der USA spiegelt es einfach die wirtschaftliche Realität wider, dass US-Konsumenten mehr Waren und Dienstleistungen von Anbietern außerhalb der USA kaufen als umgekehrt US-Produkte von Konsumenten außerhalb der USA nachgefragt werden.
Effizienz statt Ungleichgewicht
Das hohe Defizit der USA hat natürlich seine Ursachen. Es verdeutlicht die Entwicklung der USA über viele Jahre hinweg zur serviceorientierten Wirtschaft, deren Fokus auf der Herstellung von Handelsgütern im High-Tech-Bereich liegt. Umgekehrt konzentriert sich eine Vielzahl anderer exportstarker Nationen auf die Herstellung von „kleinen“, eher preisgünstigen Gütern – die sich auf eine starke Nachfrage der US-Konsumenten verlassen können. Das rekordhohe Defizit im Güterverkehr ist somit viel eher ein Nachweis der US-Spezialisierung als die Verdeutlichung eines gefährlichen Ungleichgewichts. Am Ende wendet sich die kollektive Kaufkraft sämtlicher Nationen eben den jeweiligen Stärken und Schwerpunkten der Produzenten zu.
Die globale Vernetzung der Wirtschaft legt zudem nahe, dass durch das US-Handelsdefizit nicht etwa riesige Geldmengen unwiderruflich in andere Länder „abwandern“ – es fließt im globalen Kreislauf ebenso wieder in das US-Geschäft zurück. Auch US-Staatsanleihen sollten in diesem Zusammenhang nicht einfach als gefährliche Ausweitung der Schulden betrachtet werden, sondern eben auch als eine spezielle Form der Nachfrage. Investoren rund um den Globus vertrauen auf die Stabilität und die Wirtschaftskraft der USA.
Gesamter Handel zählt
Anstatt sich über Defizite in der Handelsbilanz zu sorgen, sollten Anleger vor allem die absolute Handelsaktivität im Auge behalten. Die „Total Trade“-Statistik der USA spricht in 2018 eine positive Sprache: Importe wurden um 7,5 Prozent gesteigert, Exporte um 6,3 Prozent. Die Nachfrage nach US-Produkten und Dienstleistungen ist stark, US-Konsumenten und Unternehmen zeigen sich kaufkräftig.
Wie passen die gefürchteten Strafzölle in dieses positive Bild? Sie sorgen in der Tat für einige „Dellen“ in der positiven Statistik, gerade im Monat Dezember schwächelten die US-Exporte. Auch die verringerte Nachfrage der chinesischen Privatwirtschaft dürfte hier ein entscheidender Faktor sein. Generell gilt jedoch: Für den global vernetzten Handel stellen die Strafzölle nicht mehr als eine machbare Hürde dar.
Fazit: Das Handelsdefizit der USA wird sich auch im Jahr 2019 nicht in Luft auflösen. Wichtig ist deshalb, den Fokus auf die steigenden globalen Handelsaktivitäten zu legen und den begrenzt schädlichen Einfluss der Strafzölle zu relativieren. So kann man als Anleger das riesige US-Defizit weitaus entspannter zur Kenntnis nehmen als der US-Präsident selbst.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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