Von Thomas Grüner
Gute Nachrichten im November 2019: Der breit aufgestellte US-Aktienindex S&P 500 erreicht ein neues Allzeithoch, der deutsche Leitindex Dax erobert die Marke von 13.000 Punkten zurück. Anleger beschleicht in der Rückbetrachtung die Erkenntnis, dass der Kauf von passiven Aktien-ETFs im laufenden Bullenmarkt sehr erfolgreich gewesen wäre. Das ist vollkommen richtig – deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf diese „Erfolgsstory“ zu werfen.
Ausgehend vom 9. März 2009 bis zum 5. November 2019 haben im Aktienmarkt die zugrundeliegenden Indizes folgende Renditen erreicht: 274 Prozent im MSCI World Index, 419 Prozent im S&P 500 und gewaltige 659 Prozent im Nasdaq. Für den EuroStoxx 50 sind es dagegen „nur“ 103 Prozent, der Dax schafft es inklusive Dividenden immerhin auf 256 Prozent.
Erfolgsstory beginnt
Unser passiver ETF-Anleger steigt exakt am 9. März 2009 in die Aktienmärkte ein, denn angesichts der extrem dynamischen V-Bewegung um den Tiefpunkt herum würden bereits geringe zeitliche Abweichungen zu veränderten Renditechancen führen. Die Finanzwelt ist zu diesem Zeitpunkt in ihren Grundfesten erschüttert. Schlagzeilen, die das Ende des bestehenden Finanzsystems verkünden, ziehen sich noch über viele Monate hinweg. Das kümmert unseren fiktiven ETF-Anleger alles nicht, er kauft sich in die Aktienmärkte ein und setzt sich auf seine Hände – exakt so, wie es die Definition eines passiven Investors erfordert.
Die nächste große Feuerprobe lauert bereits im Jahr 2011. Wieder scheint die Finanzwelt aus den Fugen zu geraten. Griechenland ist pleite, Italien und Spanien könnten folgen. Auch die USA ächzen unter einer Schuldenlast und die europäischen Aktienmärkte erleben einen regionalen Bärenmarkt. Unser ETF-Investor bleibt unbeeindruckt und ignoriert die höhnischen Blicke der Gold-Anhänger, die zeitgleich einen wahren Höhenrausch erleben.
Auch in den Folgejahren zeigt der ETF-Anleger stoische Ruhe und stellt sich den Herausforderungen, die ein Anleger auch im intakten Bullenmarkt aushalten muss. Wirtschaftliche Schwächephasen, regionale Rezessionen, kollabierende Rohstoffpreise, politisches Chaos, militärische Konflikte und jede Menge Unsicherheit. Im November 2019 blickt der ETF-Anleger zurück und stellt fest, dass sich seine Anfangsinvestition vervielfacht hat.
Was hilft dieses Beispiel?
Für zukunftsorientierte Anleger – leider nichts. Denn Investieren ist im Rückspiegel betrachtet immer furchtbar einfach, entscheidend ist jedoch die Strategie im Hier und Jetzt. Die Entwicklung der Märkte in den vergangenen zehn Jahren hat vor allem eines gezeigt: Für Aktienanleger ist es für den langfristigen Erfolg unverzichtbar, übergeordnete Aufwärtsbewegungen einzufangen. Aktien-ETFs sind keine Heilsbringer – sie führen den Anlegern nur vor Augen, welche langfristigen Renditechancen am Aktienmarkt möglich sind. Den beschwerlichen Weg muss man selbst antreten und dabei vor allem gegen die eigenen Emotionen kämpfen.
Fazit: Es gibt Marktphasen, in denen passive Aktien-ETFs große Chancen bieten. Der Blick zurück bestätigt, dass die Aktienmärkte in den vergangenen zehn Jahren ein hervorragendes Angebot gemacht haben. Gleichwohl ist es wichtig zu erkennen, dass in einem Bärenmarkt-Szenario passive Aktien-ETFs genau das transportieren, was die große Mehrheit der Anleger tunlichst vermeiden will. Der Schlüssel zum langfristigen Anlageerfolg liegt also in der gelungenen Navigation durch verschiedene Marktzyklen – eine Herausforderung auf täglicher Basis. Wir befinden uns in der reifen Phase eines Bullenmarktzyklus und diese Erkenntnis wird mit jedem Tag wichtiger.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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