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Logische Kapriolen

Donnerstag, 9. Januar 2020 um 13:21

Von Bernd Niquet

Manchmal denke ich, auch mitten im Winter, warum tue ich mir das eigentlich an, den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen und zu schreiben? Warum lege ich mich nicht lieber auf eine Blumenwiese und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein?

Aber ich weiß schon sehr gut, warum ich vor mittlerweile mehr als 20 Jahren damit angefangen habe. Weil ich das, was ich im Kopf mit mir herumtrug und ich nirgendwo anders gefunden habe, gerne unter die Leute bringen wollte. Und dass vielleicht der eine oder andere etwas davon für sich aufnimmt.

Heute ist mir das Letztere nicht mehr wichtig. Da denke ich, what´s the sound of one hand clapping?, und beschäftige mich eher mit Philosophie. Und da hört ja sowieso niemand hin.

Umso interessanter ist es dann, wenn ich mich wieder einmal auf den alten Pfaden befinde und lese, wie die Anleger sich an einem Tag aus den Aktien zurückziehen, um anschließend jedoch, eine Weile später, wieder neue Engagements einzugehen. Niemand hat jedoch je die zwischenzeitlich verwaisten Aktien gesehen, wie sie irgendwo herumgelegen haben müssen, weil die Anleger sie abgestoßen hatten und erst später wieder aufgenommen haben.

Kürzlich habe ich in „Spiegel Online“ den Artikel „Was an den Argumenten der Crash-Propheten dran ist“ gelesen, verfasst von keinem Geringeren als Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin und Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität Berlin, also einer echten Kapazität.

Was er schreibt ist fast eine Realsatire. Ich sehe zwar ebenso wenig wie er einen Crash, doch wie oft er sich bei seinen Begründungen in der Logik verhaspelt, ist beinahe schon lustig. Mich erinnert das an unsere Kanzlerin, der ebenfalls stets neue logische Kapriolen wie diese hier einfallen: „Wir schaffen das, weil wir die CDU sind. Würden wir es nicht schaffen, wären wir nicht die CDU. Wir sind aber die CDU.“ Hm.

Oder wie die genialen Monty Pythons es ausführen: „Given the premise, 'all fish live underwater' and 'all mackerel are fish', my wife will conclude, not that 'all mackerel live underwater', but that 'if she buys kippers it will not rain', or that 'trout live in trees', or even that 'I do not love her any more'.“

Ganz ähnlich „analysiert“ Fratzscher dann die Argumente der Crash-Demagogen, die behaupten, das Aufblähen der Geldmenge führe zu Vermögenspreisblasen. Dieses Argument sei jedoch fehlerhaft, schreibt er zur Begründung, denn „das zusätzliche von den Zentralbanken freigegebene Geld bleibt im Finanzsystem und fließt eben nicht in Form von Krediten an Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger.“ Hm

Zum Schluss kommt dann noch ein echter Knaller. Eine wirklich massive Aussage. Denn da sind für Fratzscher plötzlich die Sparer schuld daran, dass die Nationalstaaten alle überschuldet sind. O-Ton: „Die hohen Schuldenberge der einen können überhaupt erst dadurch zustande kommen, dass andernorts zu viel gespart wird.“ Der deutsche Sparer ist also der Übeltäter.

Richtig an Fratzschers Sichtweise ist, dass sich natürlich zu jedem Zeitpunkt weltweit die Summe der Schulden und die Summe der Geldforderungen entsprechen müssen. Wenn ich spare, halte ich das Geld entweder in bar, dann hat spiegelbildlich dazu die Zentralbank eine Verbindlichkeit, oder ich zahle das Geld auf ein Bankkonto ein, dann hat eine Geschäftsbank diese Verbindlichkeit mir gegenüber.

Aus Bilanzidentitäten jedoch Theorien zu machen, ist in etwa das Gleiche, als rede man mit Monty-Python-Frauen über Fische. Denn anscheinend handelt es sich beim System von Sparen und Verschulden um ein interdependentes System.

Sparer können zwar Schulden erzwingen, doch jede Verschuldung führt ebenfalls stets zu gleichhohen Geldforderungen. Und dreimal darf man raten, welche Einflussrichtung hier die entscheidende ist.

Ich denke, es ist wesentlich wahrscheinlicher, dass die Makrelen sich dem Meeresstrom anpassen als umgekehrt.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro

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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.

»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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