Von Bernd Niquet
Es gibt in der Charttechnik eine Marktkonstellation, die heißt „Hindenburg-Omen“. Sie bezieht sich auf das Luftschiff gleichen Namens, das ausbrannte und abstürzte. Ich bin sicher, dass die erfolgreichen Börsen-Vollprofis, die meine Kolumnen lesen, sie kennen.
Ich kenne sie nicht, habe aber auch ein Hindenburg-Omen anzubieten. Und das erklärt viel mehr.
Vor einer Woche hat die sozialistische Einheitsregierung in der Bundeshauptstadt Berlin dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerschaft aberkannt. Das ist natürlich nicht mehr als ein symbolischer Akt, doch einer, der weit und tief blicken lässt.
Dieses „Hindenburg-Omen“ ist nämlich wie eine Glaskugel, in der man live sehen kann, wie heute die Geschichte Deutschlands umgeschrieben wird und wie zudem unsere Zukunft aussehen wird.
Erstaunlicherweise erklärt sich dadurch sogar das, was gerade im Thüringer Landtag in Erfurt passiert ist. Ich bin selbst ganz baff.
Der Grund für die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft war nach Aussage der Linken, dass Hindenburg mitschuldig daran sei, im Jahr 1933 die Demokratie in Deutschland zerstört zu haben. Er sei ein Täter – und Täter gelte es zu verurteilen.
Das ist natürlich interessant. Denn die Linke ist ja die Nachfolgepartei der SED, die natürlich selbst kein Täter gewesen ist. Hier ist die Geschichte schon umgeschrieben worden, haargenau wie das George Orwell in seinem Roman „1984“ beschrieben hat.
Doch es geht noch weiter: Entstanden ist die SED nämlich aus einer von Stalin verordneten Zwangsvereinigung der KPD mit der SPD in der damaligen sowjetischen Besatzungszone.
Wenn die SPD daher heute mit der Linken koaliert, dann koaliert sie nicht nur mit der SED, sondern im Grunde genommen sogar mit sich selbst, also mit dem schwarzen Schwan aus der eigenen Familie. Oder, seien wir ehrlicher, mit der armen machtlosen Stopfgans, der durch Gewaltanwendung dieser Brocken in die Kehle gestopft wurde.
Wir haben es also mit lauter Ehrenmännern, Ehrenfrauen und Ehrendrittgeschlechtern zu tun, die Paul von Hindenburg dafür verurteilen, den Mehrheitsführer im Reichstag damals nach zwei gescheiterten Minderheitsregierungen zum Reichskanzler gemacht zu haben.
Und wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre es direkt zum Schreien lustig, dass genau diese Baggage, die Hindenburg dafür entehrt hat, den Mehrheitsführer einer zwielichtigen Partei im damaligen Landtag zum Regierungschef ernannt zu haben, jetzt diejenigen an die Wand stellt, die genau das verhindern wollen, nämlich erneut den Mehrheitsführer im heutigen Landtag einer erneut mehr als belasteten Partei zum Regierungschef zu wählen.
Da müsste man einmal entscheiden bei den beiden Roten, ob man nun Demokratie will oder nicht. Doch ich glaube, diese Entscheidung ist längst gefallen. Reden möchte man sehr gerne von Demokratie, doch wenn es dann Wahlergebnisse gibt, die einem nicht gefallen, muss die Wahl eben annulliert oder neu ausgetragen werden.
Mit dem Charakter ist es bei den Linken und der SPD also nicht besser als mit den Geschichtskenntnissen. Denn dass damals eine weitere Minderheitsregierung Hindenburg gezwungen hätte, gegen die Verfassung zu verstoßen, weiß heute natürlich niemand mehr. Und will das auch gar nicht wissen.
Was sagt uns dieses „Hindenburg-Omen“ nun? Ich denke: Nichts wie weg. Zumindest mit dem Geld und den Wertgegenständen.
Denn wie hat der italienische Schriftsteller Ignazio Silone, der sein ganzes Leben ab den 1930er Jahren dem Kampf gegen den Faschismus in Italien gewidmet hat, so treffend gesagt:
Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus.“ Nein, er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus.“
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.
»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.
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