Von Bernd Niquet
Durch Covid-19 ist bei uns plötzlich wieder ein Thema zum Vorschein gekommen, das vorher weitgehend tabuisiert war: Tod und Sterben. Für mich ist das eine treffliche Chance, meine Gedanken zu diesem Thema einmal loszuwerden, denn ich denke, dass wir in diesem Kontext ganz ähnlichen unhaltbaren Illusionen verhaftet sind wie heutzutage in vielen anderen Bereichen auch.
Natürlich hat kein Mensch die Chance, ein derartiges Thema, das weit über den reinen Verstand hinausgeht, in seiner Gesamtheit zu begreifen. Dennoch bin ich der Meinung, dass man mit strenger Logik durchaus eine Menge sagen kann und dass sich das durchaus als haltbar erweist.
Ich will zwei Fälle unterscheiden, erstens, dass es einen Gott gibt und damit eventuell ein Leben nach dem Tod, und zweitens, dass keinen gibt und danach nur das Nichts herrscht.
Wenn es einen Gott gibt, ist bestimmt nichts schlimm daran, zu sterben. Selbst wenn man durch ungünstige Umstände früher sterben müsste als das eigentlich normalerweise der Fall sein würde. Denn dann ist man doch geborgen. Und ob man vorher kurz oder lang gelebt hat, macht anlässlich der Unendlichkeit eines neuen Lebens keinen Unterschied.
Doch wenn es allerdings tatsächlich so etwas wie das Fegefeuer geben würde? Das wäre in der Tat hart, doch auch hier denke ich, sollte der Sterbezeitpunkt keinen gravierenden Unterschied machen. Denn unendlich plus x ist auch nicht mehr als unendlich.
Weit interessanter, zumindest vom logischen Aspekt her, ist der Fall, dass es keinen Gott gibt. Denn dann ist nach dem Tod nichts mehr. Zwar können wir mit unserem Verstand niemals begreifen, was das genau ist, ein unendliches Nichts, doch eines kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen: Dann wird man nicht mehr retrospektiv auf sein Leben zurückblicken können.
Und genau das ist der Knackpunkt, aus dessen Nichtverstehen bei uns viele Denkfehler und Ängste resultieren. So haben fast alle Menschen das Ziel, vor dem Tod noch unbedingt bestimmte Dinge erleben zu wollen, wie beispielsweise neue Menschen oder fremde Länder kennenzulernen.
Ja, das ist ein tolles Ziel, und wer das mag, soll es machen. Doch er muss sich im Klaren darüber sein, dass das immer nur ein Genuss des Lebens sein kann. Es hingegen mit dem Tod in Verbindung zu bringen, ist logisch nicht haltbar.
Denn das Leben ist keine Reise, auf die man hinterher zurückblicken kann. Wenn man tot ist, kann man nicht mehr zurückschauen. Daher ist ein schönes Leben auch nur während des Lebens schön. Ist man anschließend jedoch tot, ist es egal, wie das Leben vorher gewesen ist. Und zwar vollkommen schnurzegal.
Wenn man tot ist, macht es keinen Unterschied, ob man sich vor dem Tod noch einige Herzenswünsche erfüllt hat oder nicht. Dann ist das Leben komplett bedeutungslos. Und damit ist es auch der Zeitpunkt des Todes.
Wenn man tot ist, ist es gleichgültig, ob man als Baby oder als Greis gestorben ist, ob man sich die ersehnten Wünsche noch befriedigt hat oder dafür zu früh gestorben ist. Wenn man tot ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, etwas zu bedauern. Und auch keine, sich über etwas zu freuen.
Tot zu sein ist daher nicht schlimm. Und zu sterben auch nicht. Weil das ja jeder muss. Und weil es hinterher egal ist, wann das passiert ist.
Bleiben noch zwei Dinge, das Sterben selbst und die Angehörigen. Für die Angehörigen macht es natürlich einen Unterschied, ob man tot ist oder nicht. Es fragt sich nur welchen – und das ist im Einzelfall verschieden.
Das Sterben selbst wird hingegen sicherlich extrem unangenehm sein. Es gibt bestimmt angenehmere Tode als an Covid-19 zu sterben, bestimmt aber auch weit unangenehmere. Das jedoch ist reine Spekulation.
Logik hingegen ist keine Spekulation. Und die sagt uns in unumstößlicher Weise, dass es rückblickend egal sein wird, wann wir gehen. Wir sollten uns daher nicht fürchten.
So - und jetzt weg mit diesen Gedanken. Jetzt leben wir einfach weiter.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.
»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.
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