Von Bernd Niquet
An Pfingsten wollte ich unbedingt zum ersten Mal seit dem Lockdown wieder einmal mit der Familie ins Restaurant. Zum Italiener. Doch wird es dort am Pfingstsonntag nicht sehr voll sein, wenn nur die Hälfte der Tische vergeben werden darf? Mittags und abends wird es da bestimmt eng, denke ich, und reserviere deshalb den Tisch für den Nachmittag.
Ich mache das extra schon eine Woche im Voraus und rufe am Tag zuvor noch einmal an, damit das wirklich klappt. Und treibe die anderen an, dass wir bitte möglichst etwas früher da sind, damit das wirklich klappt, wer weiß.
Im Endeffekt war das Restaurant dann jedoch bis auf unseren Tisch komplett leer. Und so bleibt es auch am gesamten Nachmittag. Nur ab und zu kommen ein paar Leute und holen sich telefonisch bestellte Pizzen, doch ansonsten tut sich nichts mehr. Was für eine Katastrophe.
Seit über einem Jahr war ich nicht mehr dort und sehe, sie haben eine neue Speisekarte. Die Preise liegen deutlich höher. Ob diese Preiserhöhung jedoch vor oder nach Corona gekommen ist, weiß ich nicht. Natürlich ist das eine Gratwanderung jetzt für alle Lokale. Sie kommen von den Mieten und den Lebensmitteln her in die Kostenklemme, doch ob die Kunden diese Preiserhöhungen schlucken werden und schlucken können?
Und dieses Restaurant steht ja hier nur pars pro toto. Autos beispielsweise kosten ja viel mehr Geld. Und Urlaubsreisen auch, jetzt erst recht. Zu Hause rufe ich den Google-Übersetzer auf und finde dadurch den treffenden Begriff für die Situation: che disastro.
Als ich dann jedoch nach Pfingsten zu einer Radtour aufbreche und überall dort, wo eigentlich nichts ist, die Leute wild mit ihren Autos herumfahren sehe, muss ich mich an die Zeit zurückerinnern, als wir noch Kinder waren, in unseren Tretautos saßen und die Fahrgeräusche mit dem Mund nachgemacht haben: brummm. Und weiß in diesem Moment ganz sicher, dass wir uns damals durch nichts die Lust an unserem Tun hätten nehmen lassen.
Und ist das bei den großen Kindern von heute nicht auch so? Sie werden sich doch die Lust am Konsum nicht nehmen lassen. Und wenn der Staat borgen kann, dann können sie das auch. Vielleicht müssen sie das ja sogar gar nicht einmal.
Ich denke, der Lebenssinn der meisten Menschen hängt heute so stark am Konsum, dass der Konsum nicht einbrechen wird. Weil dann ja der Lebenssinn gleich mit einbrechen würde. Und wozu Corona überleben, wenn man dabei den Sinn fürs Weiterleben verliert?
Von daher liegt die Börse ja vielleicht wirklich richtig mit ihrer gegenwärtigen Hausse. Und vielleicht kommt sogar die Autobranche wieder richtig in Schwung?
Eigentlich wollte ich mir ja auch ein neues Auto kaufen, doch als ich dann beim ersten Mal, als ich das Auto in diesem Jahr benutze, bei der ersten Kurve intuitiv wie beim Fahrradfahren den Arm zum Abwinken heben will, habe ich mich dagegen entschieden.
Ich bin also wirklich nicht der Maßstab. Daher Vorsicht vor mir.
Eines möchte ich trotzdem zu bedenken geben, nämlich dass der Dax heute bereits deutlich höher liegt als noch im Oktober des vergangenen Jahres. Und was heißt das eigentlich?
Heißt das, dass wir heute bessere Perspektiven besitzen als unmittelbar vor Corona? Dass nichts gewesen ist und die Zukunftsperspektive sich nicht verschlechtert hat? Che disastro.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.
»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.
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