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Die Münchhausen-Nummer

Donnerstag, 18. Juni 2020 um 11:12

Von Bernd Niquet

Wenn mir jemand am Anfang dieses Jahres gesagt hätte, was bisher so alles passiert ist, hätte ich wahrscheinlich nur gelacht.

Eine Pandemie, bei der alle Geschäfte schließen und die Menschen zu Hause bleiben müssen, völlig undenkbar.

Und dann nach den Kurseinbrüchen von 40 Prozent im Dax ein Wiederanstieg, so dass bald alle Vermögenseinbußen in meinem Depot wieder komplett ausgebügelt sind? Noch undenkbarer.

Dann aber auch meine beiden Lieblingsphilosophen, Arthur Schopenhauer und Immanuel Kant, mit denen ich mich ausführlich beschäftigt habe. Beide sind sie jetzt verfemt, der eine, weil er negativ über Frauen geschrieben hat, und der andere, weil er eine Rassentheorie entworfen hat.

Jetzt wird sich also niemand mehr in diesem Land mit Kants und Schopenhauers Theorien befassen. Und die Kinder in der Schule werden nichts mehr von ihnen lernen. Was allerdings nichts ändert, weil das ja schon vorher niemand mehr getan hat.

Was ich über diese Fälle denke? Ich denke, dass man jetzt schleunigst Alexander Fleming, den Erfinder des Penicillins, vor Gericht stellen müsste. Denn hätte er das Penicillin nicht erst 1928 erfunden, sondern bereits 1914, hätte es im ersten Weltkrieg Millionen Tote weniger gegeben.

Und ich denke, wenn ich nicht wüsste, dass es keine Geschichtsgesetze gibt, würde ich sagen, dass in den Ländern der westlichen Welt die Bildung und die Aktienkurse negativ miteinander korreliert sind.

Die Aktien werden also langfristig weiter steigen. Doch was ist da derzeit an den Märkten los? Man kann die Unsicherheit und den Widerstreit der Meinungen ja fast mit Händen greifen. Die einen schauen darauf, wie die staatlichen Hilfsprogramme der Börse helfen, und die anderen schauen darauf, wie die staatlichen Hilfsprogramme der Wirtschaft nicht helfen.

Wir haben es mit einem Sitzkrieg zu tun, einem Drôle de guerre. Die einen haben ihr Pulver in fetten Salven verschossen und die anderen besitzen überhaupt kein Pulver. Was wird dabei herauskommen? Wo soll man seine Chips plazieren in dem großen Casino?

Als ich jetzt die Bilder aus China gesehen habe, wie man Peking abriegelt, habe ich gedacht, meine Güte, die Diktaturen haben es wirklich einfacher als wir. Doch gibt es da überhaupt noch einen Unterschied? Wir Europäer können zwar wieder reisen, aber doch nicht mit Kopf. Doch so ganz kopflos ist es auch nicht schön. Denn da gehen ja nicht nur die Restaurants pleite.

Im Grunde genommen finde ich es aber gut, dass unsere Staaten und auch unsere Notenbanken letztlich die freie Marktwirtschaft gekippt haben. Ich glaube, dass auch viele Crashgurus und Kritiker dieser Haltung diesen Punkt falsch einschätzen.

Hätten wir heute eine Goldwährung oder ein durch strenge Reglementierungen emittiertes Geld, wären wir jetzt alle pleite und bettelarm. Ich fände es daher sogar richtig, wenn die Notenbanken im Krisenfall tatsächlich selbst Aktien kaufen würden.

Denn nur so gelingt die Münchhausen-Nummer. Und anders geht es nicht. Das ist zwar vielleicht Wahnsinn, doch lieber wahnsinnig als wirtschaftlich tot.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.

»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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