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Die Stasisierung der Finanzen

Donnerstag, 16. Juli 2020 um 10:25

Von Bernd Niquet

Es ist ein komisches Gefühl, das sich da gerade in mir breit macht. Ich kann es kaum auf einen Nenner bringen und finde es im Grunde genommen auch ziemlich absurd. Doch wer weiß? Schließlich leben wir ja derzeit in durchaus absurden Zeiten.

Es gibt schließlich manchmal so etwas, dass man denkt, das gibt es doch gar nicht und das passt doch gar nicht zusammen. Und trotzdem spürt man, dass es miteinander zu tun hat, auch wenn man nicht sagen wie.

Am Wochenende habe ich die neue Kolumne von Don Alphonso in der „Welt“ gelesen, dort ging es um Vermögen und Vermögensanlage, und manches kam mir dabei extrem kryptisch vor und dennoch vertraut.

Am nächsten Tag hat dieselbe Zeitung dann einen Artikel veröffentlicht, wie die Bundesrepublik Deutschland durch das Emittieren neuer Anleihen zum Milliarden-Gewinner wird. Darauf habe ich einen Diskussionsbeitrag geschickt, der rein fachlich war und komplett der Netiquette entsprach. Doch man hat mich zensiert.

Wie zu alten Stasizeiten hat man mich zensiert. Ich durfte das, was ich gesagt habe, dort also nicht sagen. Aber warum nicht?

Ich fange mal beim Don an. Der schreibt, ihn beschleiche das Gefühl, „… dass sich in den letzten 10, 15 Jahren unter der bleiernen Decke der ganz, ganz großen Koalition vieles in eine Richtung verändert hat, die nach der Scheinstabilität zu erheblichen Brüchen führen kann. Die Gegensätze redet man nur schön, während in Wirklichkeit längst die Messer gewetzt werden. Generell herrscht die Meinung vor, dass wegen des Kapitalismus nur Reiche reich bleiben können.“

Insgesamt gäbe es „… im Moment zwei Strömungen der Kapitalismuskritik: die ganz große Lösung, nämlich die Abschaffung des Systems wegen Klima, Gerechtigkeit, Kolonialismus oder was sonst gerade modern ist, als große, aber unausgearbeitete Vision. Und der erbitterte Krieg um die eigenen kleinen Profite ohne Rücksicht auf Zusammenhänge. Man fordert etwas, das man haben will…

Zwischen dem Riesenanspruch des Systemwandels und der kleinen, miesen, geldwerten Bevorzugung der eigenen Blase gibt es jede Menge weiterer wirtschaftlicher Themen, die bemerkenswert wenig besprochen werden. Und alles zwischen großem Systemwandel und privaten Vorteilen spielt in der öffentlichen Debatte keine Rolle mehr und verschwindet im Grau der Ignoranz.“

Die meisten wissen also nichts, sollen nichts wissen und wollen auch nichts wissen. Ist das so?

Dann kommt der Artikel mit den Milliardengewinnen des Bundes. Dort beschreibt die „Welt“, wie der Bund durch die Ausgabe von Nullzins-Anleihen zu Kursen über pari riesige Gewinne erzielt. Er gibt also eine zinslose Anleihe heraus, verkauft sie zu 105 % des Nominalwertes und zahlt nach Ende der Laufzeit nur zu 100 % zurück.

Ich habe mir erlaubt, dazu das Folgende anzumerken: „Vorsicht, der Artikel berücksichtigt nicht, dass der Markt da mitspielen muss. Die Zero-Anleihe des Bundes bis 2050 stand vor 3 Wochen bei 93 % des Nominalwertes. Und jetzt bei 100. Da gibt es kein Agio. Will man die Kurse jedoch hochziehen, muss man kaufen, wo man doch eigentlich verkaufen will ...“

Eigentlich ist das alles total trivial. Ich teile ja nur Börsenkurse mit. Umso mehr wundere ich mich, warum ich damit unter die Zensur der Welt-Stasi gefallen bin. Wenn ich über die AfD geschrieben habe, dann ist das schon oft passiert. Das verstehe ich ja auch. Schließlich ist die AfD ja igittigitt. Aber Geld ist doch nicht igittigitt, oder?

Deswegen bin ich hier jetzt auch absolut sprachlos. Und mir fällt nur das Grau der Ignoranz ein. Aber wenn es gewollt wäre, dass niemand etwas wissen soll, warum schreibt man dann Artikel, in denen man genau darüber berichtet?

Und was ist eigentlich mit den gewetzten Messern, der bleiernden Decke, der Scheinstabilität, der großen Lösung und der ebensogroßen, aber unausgearbeiteten Vision?

Ich sehe da keinen Zusammenhang. Aber ich rieche etwas.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. FÜNFTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2019, 624 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

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Bernd Niquet und die Flüchtlingskrise. Die Geschichte von Bernd Niquet ist mittlerweile in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Das ist die Zeit des massenhaften und ungehinderten Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland. Die Hauptfigur der Ereignisse muss jetzt nicht mehr wie vorher nur die Lasten seines eigenen Lebens und seiner familiären Verhältnisse schultern, sondern sieht sich darüber hinaus gezwungen, aus sich selbst herauszutreten und sich ganz grundsätzliche weiterführende Gedanken zu machen.

»Immer, wenn die große Mittelmacht auf dem europäischen Kontinent verrückt spielt, resultieren daraus immense Verwerfungen. Wird der wirtschaftlichen Nord-Süd-Teilung zur Eurorettung jetzt auch noch eine kulturelle Ost-West-Spaltung zur Flüchtlingsrettung hinzugefügt? Denn das hieße ja nichts anderes als die bildliche Kreuzigung unseres Kontinents.«

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt trotz seines Umzugs im vergangenen Jahr weiterhin im selben ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die ersten vier Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2018.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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