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Alchymia

Donnerstag, 5. November 2020 um 10:58

Von Bernd Niquet

Ist es eigentlich möglich, heute eine Kolumne zu schreiben, die nicht von Donald Trump handelt? Wohl kaum.

Zwei Punkte habe ich, die ich woanders so noch nicht gehört habe und die mich beschäftigen.

(1) Ich halte ja die Behauptung von Trump mit der Wahlfälschung für Show. Doch kann man nicht die Bedenken aller Trump-Wähler, dass mit den Briefwahlstimmen Missbrauch getrieben wird, ganz einfach und glasklar aus der Welt schaffen?

Und wo ist hier eigentlich das Problem? Natürlich könnten Betrüger fingierte Briefwählerstimmen einschleusen, doch ließe sich das nicht binnen Minuten überprüfen? Da sich jeder Wähler in den USA registrieren lassen muss, bringt doch ein Abgleich der Zahl der registrierten Briefwähler mit der Zahl der eingetroffen Stimmen von Briefwählern sofort die Wahrheit an den Tag.

(2) Überall wird derzeit von der Zerrissenheit der USA berichtet und ich habe den Eindruck, dass hierbei zumindest in den deutschen Medien eigentlich stets Trump als der Schuldige gesehen wird. Wohingegen man Biden als den Mann der Vereinigung bezeichnet.

Ich halte das jedoch beides gleichermaßen für grotesken Quatsch. Ich denke, ja, die USA sind total gespalten, genauso wie Europa auch gespalten ist. Doch das liegt nicht an einzelnen Männern (oder Frauen), das liegt an der Ungleichverteilung von Chancen, Einkommen und Vermögen in unserem freiheitlichen Wirtschaftssystem.

Und ich finde es ein Riesending und einen unschätzbaren Vorteil, dass wir innerhalb der Demokratie diese Differenzen austragen können. Für mich ist es daher kein Manko, dass wir derzeit eine Zerrissenheit wahrnehmen und uns darüber auseinandersetzen, ich halte das vielmehr für einen unschätzbaren Vorteil.

Wem würde es denn helfen, wenn wir jetzt über die Konflikte eine dicke Soße gießen und sie zukleistern? Jetzt ist die Zeit, die Konflikte auszutragen. Also los! Weiter so!

Eigentlich wollte ich heute ja über etwas ganz anderes als die US-Wahl schreiben, erstaunlicherweise merke ich jedoch, dass das anscheinend genau das gleiche Thema ist.

Ich wollte nämlich über Essen und Lebensmittel berichten und picke mir davon jetzt den Teil heraus, der zum anderen Thema passt.

Bei Aldi gibt es einen wundervollen Rotwein, der genauso wie eine Wahl Trumps in den USA einfach zu gut schmeckt, um wahr zu sein. Er kommt aus Bella Italia, aus dem Süden, aus Apulien und trägt den bezeichnenden Namen Alchymia, was Alchemie bedeutet und auf dem Rücketikett sogar so erklärt wird. Also nomen est omen, ein Wein, der wie Gold schmeckt, aber nicht Gold ist, denn er kostet tatsächlich nur 7,75 Euro die Flasche. Doch lange habe ich nicht einen so wundervollen Wein getrunken.

Wie kommt es nun dazu? Wie kann ein Wein aus dem Jahr 2018 bereits im Jahr 2020 ein Aroma haben wie ansonsten nur alte und reife Weine? Ist das Wahlbetrug wie in den USA?

Die Antwort liegt darin, dass heute nur noch naive Zeitgenossen daran glauben, dass Wein noch ein Naturprodukt ist. Für viele Weine gilt das sicherlich auch heute noch, doch sie sind eben weit teuer und elitärer.

Mittlerweile ist vielmehr eine ganz neue Generation von Weinproduzenten unterwegs, die die Tatsache nutzt, dass in der Weinproduktion heute ganz legal und ohne Kennzeichnungspflicht bis zu sechzig (!) Zusatzstoffe eingesetzt werden dürfen. Damit schafft man es, für Pennybeträge das hervorzuzaubern, wozu es früher großer Lagen und genialer Winzer bedurft hat.

Es ist also alles Schwindel, aber ein legaler Schwindel. Genauso wie der ganze Kapitalismus ein Schwindel ist, was ja schon unser aller André Kostolany immer vertreten hat. Und wie wohl auch jede demokratische Wahl ein legaler Schwindel ist. Weil die Kandidaten ja eh das nicht halten, was sie vorher versprochen haben.

Außer Trump. Das ist das Neue und Besondere. Darauf ein Glas Alchemie! Prosit!

P.S.: Und was hätte wohl der römische Kaiser Cäsar über die heutige Situation und über Trump gesagt? Ich würde mal vermuten so etwas hier: „Schleuder den Purchen zu Poden!“

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

oder bei Amazon


 

Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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