Von Bernd Niquet
Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als wir als Kinder Monopoly gespielt haben. Wenn es da mit dem Geld knapp wurde, so dass man sich nicht sofort Hotels auf seine Straßenzüge bauen konnte, dann haben wir an jeden Mitspieler zusätzlich ein paar der großen lila Scheinchen ausgeteilt und von da an flutsche es dann.
Im Endeffekt ist dabei jedoch auch nichts anderes herausgekommen als vorher, weil man nämlich dann, wenn man auf ein Hotel eines Mitspielers kam, das Geld sofort wieder los war. Alle Ähnlichkeiten mit dem realen Wirtschaftsleben von heute sind natürlich rein zufällig.
Durch die Corona-Lockdowns befinden wir uns heute jedoch in einer durchaus vergleichbaren Situation, nämlich mit Geld die Effekte unserer übergeordneten Präferenzen zu kurieren.
Unsere augenblickliche Situation ist allerdings weit schwieriger, schließlich müssen wir versuchen, das Marktergebnis, das sich ohne Lockdown ergeben hätte, nachzuvollziehen, um auf dieser Basis dann zu entscheiden, wem welche Verluste wie ersetzt werden. Wir müssen also den Markt nachspielen.
Der Fehler an dem Spielergebnis besteht jedoch darin, dass hier – genauso wie früher bei uns Kindern – Menschen entscheiden müssen, nämlich unsere geliebten Politiker, die von der Wirtschaft in der Regel keine Ahnung haben. Und die deshalb vergleichsweise simple Dinge wie brutto und netto verwechseln, Gewinn und Liquidität nicht voneinander unterscheiden können und auch bei der Unterscheidung von Überschuldung und Illiquidität ihre Schwierigkeiten haben.
Überdies ist ihnen das Verhältnis von Umsatz und Fixkosten ein ähnliches Rätsel wie Donald Trump – und von den Problemen der Staatsverschuldung haben diejenigen, die sie verursachen, sogar beinahe komplett keine Ahnung.
Ich denke, es ist daher angebracht, kurz einmal die wichtigsten Maßnahmen des Staates durchzugehen:
Dass Gastronomen jetzt einen Zuschuss in Höhe von 75 Prozent des Umsatzes erhalten, ist eine noble Geste für eine gebeutelte Branche, doch sehr teuer und zudem ungerecht. Denn der Umsatz setzt sich auf der Entstehungsseite aus fixen Kosten, flexiblen Kosten und dem Gewinnaufschlag zusammen. Da jedoch insbesondere Speiserestaurants einen hohen Materialeinsatz haben, sprich Lebensmittel, die sie im Lockdown jedoch nicht kaufen müssen, fahren sie hier extrem gut.
Der Vorschlag, lieber 75 Prozent der Fixkosten, also vor allem der Miete etc. zu alimentieren, scheint hier angebrachter zu sein. Natürlich abzüglich der Löhne, die ja bereits extra durch das Kurzarbeitergeld vom Staat geleistet werden. Und die wollen wir doch nicht doppelt zählen, wollen wir nicht?
Der Vorschlag, den man heute immer wieder hört, die Unternehmen durch negative Steuern zu unterstützen, besitzt zwar insofern eine gewisse Brillanz, weil hier jeglicher Missbrauch unmöglich wird, kann jedoch nur die Gewinnsituation und damit die Bonität eines Unternehmens verbessern, besitzt aber keine Auswirkung auf die Liquidität.
Wer kein Geld mehr in der Kasse hat und keines auf der Bank, der ist auch dann pleite, wenn er riesige Steuergeschenke bekommt, er braucht vielmehr sofortige Liquiditätshilfen. Sie können in Form eines Zuschusses oder eines Kredites gewährt werden, wobei die unterschiedlichen Wirkungen auf die Unternehmen wie auf den Staatshaushalt mehr als offensichtlich sind.
Es gibt allerdings auch Unternehmen, die noch über Liquidität verfügen, denen durch das Wegbrechen der Absatzmärkte jedoch die Umsätze verlorengehen. Hierbei sind alle möglichen Formen der Hilfe denkbar, wobei jedoch immer beurteilt werden muss, ob ein Unternehmen durch die aktuellen Veränderungen überhaupt noch eine Zukunft besitzt.
Und es gibt natürlich alle möglichen Mischformen. Im Grunde genommen müsste jede Hilfe also eine Einzelfallentscheidung sein. Das kann in dieser Schnelle allerdings nicht geleistet werden. Alles, was wir jetzt und zukünftig in dieser Hinsicht machen werden, wird daher suboptimal sein.
Das ist aber okay und das müssen wir akzeptieren. Im Grunde genommen starten wir heute einen durchaus ähnlichen Blindflug wie vor genau 30 Jahren bei der Deutschen Einheit, nur in wesentlich geringerer Größenordnung.
Eine Lehre sollten wir uns jedoch jetzt bereits für alle Zeiten hinter die Ohren schreiben: Das, was der Markt leistet, kann niemand anderes leisten. Das Marktergebnis lässt sich weder ersetzen noch modellieren oder nachspielen.
Der Markt ist der Souverän und sollte das auch bleiben. Und die Politiker, die das anders sehen, sollten wir so lange abwählen, wie das noch möglich ist.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.
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