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Mehr als 20.000 Prozent Gewinn verpasst

Donnerstag, 11. Februar 2021 um 10:21

Von Bernd Niquet

In meiner vorangegangenen Kolumne habe ich unter anderem über die Hausse der Aktien der Börsenmakler zum Ende der 90er Jahre geschrieben. Und weil ich dafür zum ersten Mal seit der damaligen Zeit die alten Unterlagen wälzen musste, sind mir auch ein paar andere Dinge aufgefallen, die ich durchaus als Gleichnis für die heutige Zeit sehe.

Sie sind ein Gleichnis für das, was jetzt ist und was noch kommt, so oder so.

Einen wirklich extraordinären Fall habe ich in meinen Unterlagen gefunden, den ich hier jetzt kurz darstellen will. Und den sicherlich niemand bei uns so recht kannte, mich selbst eingeschlossen.

Und um keinen falschen Eindruck zu erwecken, werde ich dann in der nächsten Woche die ganzen Verlustbringer zeigen, die ich im Jahr 2000 aus meinem Depot herausgeschmissen habe, so dass ich heute noch auf dicken Verlustvorträgen sitze, mit denen ich jedoch nichts mehr anfangen kann, weil sie nicht mehr gegen Aktienkursgewinne gegengerechnet werden können.

Zuerst jedoch die schöne Geschichte. Im Herbst 1998, als es bei uns so langsam losging mit dem Neuen Markt, habe ich mir neben vielen anderen Aktien auch 250 Stück von Samsung gekauft. Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, doch ich vermute, es war ein Freund, der sich ziemlich gut mit Computertechnik auskannte, der mich darauf gebracht hat.

Der Kurs der Aktie stand damals bei 6,76 Euro, umgerechnet 13,23 DM, was bei 250 Stück eine Kaufsumme von 3.307,50 DM ausmachte.

Verkauft habe ich sie schließlich im Mai 2000, wie fast alle Aktien, als der Neue Markt bei uns nach unten schoss und ich auch die ausländischen Tech-Werte mit weggegeben habe. Der Kurs von Samsung stand zu diesem Zeitpunkt bei 96,50 Euro oder 188,74 DM, was einen Verkaufserlös von 47.184 DM ausmachte.

Ich hatte also mit Samsung in etwa anderthalb Jahren 1.327 Prozent Gewinn erzielt. Bin ich nicht ein Genie?

Heute steht der Kurs von Samsung knapp unter 1.400 Euro.

Aus den 47.184 DM beim Verkauf wären mittlerweile 350.000 Euro geworden. Nicht so wirklich genial, oder?

Insgesamt hätte ich also nicht nur gute 1.300 Prozent Gewinn erzielen können, sondern deutlich mehr als 20.000 Prozent. Das ergibt eine erste Lehre: Es ist also nicht immer richtig, zu verkaufen.

Ich habe diese Aktien zwar im Crash 2008 erneut angefasst und zu 241,50 Euro gekauft, was bis heute noch einmal einen Gewinn von 480 Prozent bedeutet, doch 1.300 Prozent plus 480 Prozent sind eben bei weitem keine 20.000 Prozent. Hinzu kommt, dass ich mein Neuinvestment natürlich zu einem deutlich geringeren Betrag getätigt habe als ich damals beim Verkauf erlöst habe.

Hier zeigt sich die fiese Kehrseite der Prozentrechnung. Denn in dem Anstieg von 6,76 Euro bis auf 1.400 Euro war ich nur von 96,50 Euro bis 241,50 Euro nicht dabei, also lächerliche 150 Euro und nur 10 Prozent des heutigen Kurses. Doch dieses Aussetzen hat mich eine verpasste Verzehnfachung gekostet.

Ich habe zwar addiert knapp 2.000 Prozent Gewinn erzielt, aber eben nicht 20.000. Und das ist schon ein Unterschied.

Daher gleich die Lehre Nummer zwei: Drum prüfe nicht nur, wie vor einer Ehe, wer sich auf Dauer bindet, sondern auch derjenige, der frühzeitig aus Angst und Nervosität die Reißlinie zieht.

Und die Lehre Nummer drei lautet: Vom Gewinnmitnehmen ist zwar noch niemand arm geworden, hat aber durchaus auch manchmal auf den wirklich großen Reichtum verzichtet.

 

Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet

 

******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******

Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro

Am besten portofrei direkt beim Verlag bestellen: www.engelsdorfer-verlag.de

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Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“

Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.

Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.

 

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