Von Bernd Niquet
Jede Hausse hat ihr Eigenes, man kann sie nicht unbedingt miteinander vergleichen. Die Strategie von gestern mag heute schon falsch sein. Sogar die Art, wie die Verluste sich ergeben, wandelt sich im Zeitablauf. Dennoch ist ein Blick zurück nie verkehrt.
Der weltweite Aufschwung der Technologieaktien in den Jahren 1998 bis 2000 war phänomenal. Damals stieg beinahe alles, weil die Favoriten der weiteren Zukunft noch nicht auszumachen waren. Meine Strategie basierte damals auf diesem selbstgezimmerten Lehrsatz:
„Man kann bei jeder Aktie unbegrenzt gewinnen, jedoch maximal 100 Prozent verlieren.“ Daher habe ich extrem viele Aktien gekauft, so viele verschiedene, wie niemals zuvor und auch niemals danach in meinem Leben.
Heute nun präsentiere ich Ihnen die Liste der Verlierer, die Papiere, die ich 1999 und 2000 mit einem zweistelligen prozentualen Verlust verkauft habe.
Vielleicht war der eine oder andere von Ihnen damals ja schon dabei und kennt manche dieser Aktien. Ich hingegen habe gestaunt, dass die meisten davon mir überhaupt nichts mehr sagen. Die soll ich gekauft haben? War ich da umnachtet? Nein, es war Karneval an der Börse und ich habe reichlich mitgefeiert.
Die folgenden fünf verlustträchtigen Investments sind die wenigen, die mir heute noch bekannt sind und bei denen ich noch weiß, was dahintersteckt(e):
• Gontard & Metallbank 34% Verlust
• Effectenspiegel 23% Verlust
• Nordasia.com 43% Verlust
• 1&1 23% Verlust
• Senator Film 36% Verlust
Jetzt nun diejenigen, von denen ich schwöre, bei den meisten nicht einmal einen blassen Schimmer davon zu haben, was das für Unternehmen sind oder waren. Und bei wenigen höchstens eine klitzekleine Idee davon besitze:
• Senetek 53% Verlust
• Van der Moolen 35% Verlust
• Iridium 59% Verlust
• Aquaplan 48% Verlust
• LHS 33% Verlust
• Data Design 62% Verlust
• Lycos 35% Verlust
• Infoseek 62% Verlust
• Plenum 65% Verlust
• Carrier One 10% Verlust
• DCI 14% Verlust
• Trans Cosmos 42% Verlust
• Santa Cruz 70% Verlust
• GMGI 39% Verlust
• Commerce One 39% Verlust
• Net Perceptions 59% Verlust
• Internet Capital Group 74% Verlust
• Davnet 64 % Verlust
• MatchNet 30% Verlust
• Open Market 33% Verlust
• Poet Holdings 71% Verlust
• H5B5 55% Verlust
Das ist schon ein ganz schönes Schlachtfeld, oder? Vielleicht war es ja auch reine Psycho-Hygiene, dass ich von all dem heute nichts mehr weiß. Wie nach einem heftigen Alkoholrausch. Und genauso war das ja auch.
Am meisten frappieren mich hier die letzten beiden Aktien. Die klingen schon vom Namen her so, als hätte das niemals etwas werden können.
Doch das trifft nur bedingt, denn auch bei den Gewinnern kenne ich ein Unternehmen nicht:
• Icon Medialab 593% Gewinn
Insgesamt hat mein Lehrsatz damals wirklich gut funktioniert. Denn diesen Ausfällen standen wirklich exorbitante Gewinne gegenüber. Und bei diesen Gewinnern musste man an die Prozentzahlen der Verlierer durchaus noch eine 0 heranhängen. Und manchmal sogar zusätzlich noch eine 1 davor setzen.
Das Einzige, was an diesem Lehrsatz damals falsch war, ist, dass ich keinen 100-Prozent-Verlust mitgemacht habe. Aber dafür war der damalige Anlagehorizont auch zu kurz.
Dennoch: Eigentlich investiert man so nicht! Das war ein Erfolgsrezept für damals, für heute ist es das nicht. Also: Don´t try this at home!
Ich werde diese Strategie jedoch im Hinterkopf behalten. Denn es könnte durchaus irgendwann in den nächsten Jahrzehnten ein Tag kommen, an dem wir morgens aufwachen und plötzlich alles anderes ist. Und dann werden wir auf einmal nicht wie sonst von vorne von den Gewinnmöglichkeiten gezogen, sondern von hinten vom Sicherungsverhalten geschoben.
An diesem Tag wird das hier vielleicht wieder ein Thema.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
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Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.
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