Von Thomas Grüner
Die Diskussionen rund um die Corona-Krise kochen weiterhin hoch. Lockern oder nicht? Wer trägt die Schuld für die vielen Versäumnisse bei der Bekämpfung der Pandemie? Fragen über Fragen. Zeit für einen etwas differenzierteren und durchaus provokanten Blick.
Grundsätzlich fällt es vielen Leuten schwer, die positiven Seiten des Kapitalismus in den Vordergrund zu rücken. Eher schwingen negative Tendenzen wie „Ungleichheit“ oder „Unfairness“ mit, wenn Vor- und Nachteile diskutiert werden. Die Corona-Krise hat allerdings gezeigt, dass Kapitalismus und Unternehmen essentiell wichtig bei der Überwindung der Krise sind.
Unternehmer gehen voran
Unternehmertum schafft die Grundlagen für Flexibilität, sie fördert die Anpassungsfähigkeit der Gesellschaft und ebnet den Weg für Innovationen. Die zügige Entwicklung neuartiger Impfstoffe ist vor allem das Resultat unternehmerischer Leistungen. Die Corona-App dagegen beispielhaft ein Sinnbild unserer Überbürokratisierung und Regulierungswut. Der Datenschutz verhindert eine sinnvolle Anwendung. Niemand hat eine Lösung. Unglaublich. Den Unternehmen gelingen dagegen diese Anpassungen viel schneller als dem öffentlichen Sektor. Dies stabilisiert unsere Wirtschaft.
Grenzen des Föderalismus
Im Gegensatz dazu steht die „politische Landschaft“. Eindrucksvoll hat die Corona-Krise offengelegt, wie schwerfällig ein zu bürokratisierter Staat im Ernstfall sein kann: Die Impfstoff-Vergabe ist ein Akt europäischer Bürokratie, das klare Leitbild fehlt, es gibt zu viele Regeln und zu viel Interpretationsspielraum. Ständig neue und sich widersprechende Meinungen der Akteure. Zurück bleibt eine zutiefst verunsicherte Gesellschaft.
Der Kern des Problems: Das Zusammenspiel zwischen Demokratie und Föderalismus. Die Bundeskanzlerin berät sich mit den Ministern und debattiert im Bundestag, aber die jeweiligen Länderparlamente und Ministerpräsidenten haben ein Wörtchen mitzureden. Wer hat letztendlich die tatsächliche Kontrolle über Gesundheitsämter, die Bildungseinrichtungen, welche Entscheidungen obliegen den Kommunen oder Landräten?
Föderalismus mag viele Vorteile haben, aber in derartigen Krisen ist es eben eine sehr „langsame“ Organisationsform. Viele Menschen wünschen sich in Krisenzeiten eine zentrale Kommandostruktur, die zügig verbindliche Notfallpläne aufstellen kann. Und da im Mikrokosmos der politischen Verwaltung der berühmte Anpassungsdruck fehlt, sucht man schlagkräftige Vorgehensweisen oft vergebens.
Krieg mit Wochenenden
Gerne spricht die Medienlandschaft von einem „Krieg gegen das Virus“ und der „größten Herausforderung für die Gesellschaft seit dem Zweiten Weltkrieg“. Diese Vergleiche werden von deutschen Politikern beständig vorgetragen. Nüchtern betrachtet sind sie allerdings maßlos überzogen. Noch immer sind vielen Behörden ein freier Mittwoch- und Freitagnachmittag heilig. Gesundheitsämter machen oft freie Wochenenden. Um „im Bild“ zu bleiben: „Kann sich im Krieg die Luftabwehr wirklich am Wochenende frei nehmen?“ Flexibilität wird oft eingefordert, aber nur zu selten auch wirklich gelebt.
Fazit: Der Kapitalismus schlägt den Föderalismus und setzt notwendige Veränderungen viel schneller um. Während viele Unternehmen ihre Arbeitsabläufe sensationell schnell an die Krise angepasst haben, hinken viele Behörden und Ämter weit hinterher. Letztendlich gefährdet diese Lethargie unsere Demokratie und stärkt radikale Kräfte. Der Kapitalismus und das Unternehmertun sind hier viel mehr die Lösung als das Problem!
Fragen zum Beitrag beantworte ich gerne per E-Mail an feedback@gruener-fisher.de.
Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung der jeweiligen Autoren wider. Instock übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche rechtliche oder sonstige Ansprüche aus.