Von Bernd Niquet
Eigentlich wollte ich in dieser Kolumne ja über die vermeintlichen Inflationsängste schreiben und über die Turbulenzen an den Bondmärkten, doch ich muss gestehen, dass ich das nicht verstehe. Wie können die Bundesanleihen im Kurs fallen, wenn gar kein Handel mit Bundesanleihen mehr stattfindet?
Denn bis auf ein oder zwei Neuemissionen gibt es keinerlei Umsätze mehr, weil alle Papiere entweder in den Tresoren von Privaten oder denen der EZB liegen. Und niemand auch nur ein Stück davon herausgibt.
Umsätze gibt es eigentlich nur in der extrem langlaufenen Bundesanleihe bis 2050 – und da bin ich mit meinen paar Spargroschen anscheinend der größte Händler. Und das ist doch wirklich merkwürdig, oder?
Ich weiß natürlich, dass die Bondmärkte vor allem über die Futures gemacht werden, doch hier ist man beim Bund-Future als Verkäufer am Liefertag verpflichtet, Schuldverschreibungen im Nominalwert des Kontraktes zu liefern. Wie das gehen soll, mag verstehen, wer will, ich tue es jedenfalls nicht.
Und welche Aussage haben denn eigentlich Futuremärkte, in denen die dem Kontrakt zugrundeliegenden Assets weggeschlossen sind? Gibt es da überhaupt irgendwelche Aussagekraft? Ich meine außerhalb der Traumwelt, in der wir gerade im Moment alle leben?
Aus diesem Grunde war ich dann riesig froh, als mir die schöne Geschichte begegnet ist, in der sich Polizisten hinter Sträuchern versteckt haben, um dort dann plötzlich herauszuspringen und Jogger ohne Maske bußgeldpflichtig zu stellen.
In diesem Bereich fühle ich nämlich sofort wieder wohl, schließlich ist das die mir so vertraute Monty-Python-Welt, und ich male mir aus, wie die Polizisten zwar keine Hose tragen, dafür aber eine Maske. Oder noch besser, wie sie rufen: „Nobody expects the Corona Inquisition!“
Ich hoffe, Sie kennen die wunderbare Geschichte der Pythons von der „Spanish Inquisition“. Aber es geht auch so. Und geschichtlich wissen Sie ja: Die Inquisition startete in Spanien im 15. Jahrhundert und diente dazu, das Ketzertum gegen die Allmacht der Kirche zu beseitigen.
Das Sketch geht so: Harmlose Bürger sind gerade dabei, sich harmlose Dinge zu erzählen, in dessen Verlauf dann irgendwann der Satz fällt: „I didn´t expected a kind of Spanish Inquistion.“
Im selben Moment macht es bing, die Tür öffnet sich und die als Inquisitoren eingesetzten Kardinäle stürzen wie die Polizisten aus dem Busch herein und rufen: „Nobody expects the Spanish Inquistion!“
Und dann geht es mit den Selbsterklärungen los: „Nobody expects the Spanish Inquisition! Our weapon is suprise... surprise and fear... fear and surprise... Our two weapons are fear and surprise... and ruthless efficiency... Our three weapons are fear, and surprise, and the ruthless efficiency... and an almost fanatical devotion to the Pope… Amongst our weapons... are fear, surprise, ruth... Amongst our weaponry... are such elements as fear…
Wer ist hier nicht an die Kanzlerrunden mit den Ministerpräsidenten erinnert? Furcht und Überraschung, wie wahr, wie wahr!
Als es dann jedoch nicht klappt, die weapons, also die Beschränkungen richtig zu erklären, sagt der Kardinal: „I'll come in again. Und es startet alles wieder von vorne. Auch sehr vertraut, oder?
„Nobody expects the Spanish Inquisition! Amongst our weaponry are such diverse elements as: fear, surprise, ruthless efficiency, and an almost fanatical devotion to the Pope, and a night out with the neighbour – Oh erh! It's no good, I'm sorry. Cardinal – you'll have to say it.“
Jetzt muss also Kardinal Söder sagen, was die Päpstin nicht richtig hinüberbringen konnte.
Von jetzt an gilt also die neue Dreifältigkeit: fear, surprise, ruthless efficiency, and a night out with the neighbour. Das sind drei, nein vier.
Am wichtigsten ist mittlerweile natürlich die ruthless efficiency, die rücksichtslose Effizienz. Mit welcher rücksichtslosen Effizienz da jetzt die Selbsttests und die Schnelltests bestellt werden, das ist schon wirklich atemberaubend. Mittelalterreif.
Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Selbsttests und Schnelltests? Aber egal, Hauptsache wir haben sie.
Wahrscheinlich wird aber bald erneut die Tür aufgerissen, die Kardinäl*innen kommen hereingestürzt und jedermann weiß sofort: Nobody expects anything anymore.
Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
******* Von Bernd Niquet ist ein n e u e s Buch erschienen *******
Bernd Niquet, „Jenseits des Geldes. SECHSTER TEIL“, Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2020, 621 Seiten, 22 Euro
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Bernd Niquet und seine Tagebücher: „Der wirkliche Donnerschlag kommt dann mit Verzögerung. Auch braucht mein Inneres einige Zeit, um ihn zu realisieren. Doch als die Dinge dann klar sind und in mir sacken, mache ich etwas, was ich vorher beim Tagebuchschreiben noch niemals gemacht habe. Ich unterstreiche die wichtigen Passagen nicht wie sonst mit meiner blauen Tinte, sondern mit schwarzem Filzstift. Einunddreißig Jahre schreibe ich mittlerweile Tagebuch, das zeigt die Dimension. Hinterher bin ich selbst erschrocken. Das Tagebuch sieht jetzt aus, als sei jemand gestorben. Und in meinem Inneren fühlt es sich auch tatsächlich so an.“
Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und lebt in einem ruhigen Außenbezirk von Berlin. Die vorangegangenen fünf Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2018 und 2019.
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