Von Thomas Grüner
In dieser Woche verkündete das National Bureau of Economic Research (NBER) in den USA die nationale Rezession für offiziell beendet. Das sollte für Anleger nun wirklich keine Überraschung darstellen, schließlich haben sich die Märkte längst über den COVID-Crash hinweggesetzt. Interessant ist allerdings der nun offiziell festgelegte Zeitraum der Rezession, welcher in die Geschichtsbücher eingehen wird. So endete die Rezession offiziell bereits im April 2020. Erstmalig als tatsächliche Rezession verkündet wurde sie dagegen im Juni 2020, also zwei Monate später! Was sich kurios anhört, führt zu verschiedenen Folgefragen. Die wichtigste lautet: Welche Rückschlüsse lassen sich für Anleger aus den offiziellen Botschaften ziehen und was verrät uns die Dauer der Rezession über die weitere Entwicklung der Aktienmärkte?
Zukunftsgerichtete Aktienmärkte
Zunächst einmal wird sehr einfach klar, dass die Rezessionsdatierung keinerlei direkten Nutzen für die Marktphase der Rezession selbst zulässt. Statistikbüros und offizielle Quellen arbeiten tendenziell rückwärtsgerichtet und somit entgegen der Aktienmarktperspektive. Größere Abwärtsbewegungen in Form von Bärenmärkten treten in der Regel vor oder zu Beginn einer Rezession auf, jedoch niemals im Nachhinein. Aktienmärkte preisen die fundamentalen Entwicklungen der kommenden 3 bis 30 Monate ein. Somit liefern Meldungen über den Beginn oder das Ende einer Rezession keinerlei lukrative Erkenntnisgewinne. Wer beispielsweise seine Aktienpositionen im Juni 2020 verkaufte, als die Rezession festgestellt wurde, tat dies, als die Rezession bereits beendet war. Dieses offizielle Wissen konnte er sich wiederum erst in der aktuellen Woche aneignen.
Wirtschaftliche Neuorientierung ist nicht erfolgt
Die zweite wesentliche Botschaft folgt aus der Dauer der Rezession selbst. Diese war schlichtweg viel zu kurz, um zu einer wirtschaftlichen Neuorientierung zu führen. Der alte Wirtschaftszyklus wurde nicht beendet, sichtbar wird das in vielerlei Hinsicht. Viele Unternehmen arbeiteten bereits nach kurzer Zeit im selben Modus wie vor der Krise. Sie starteten neue Projekte und investierten in Wachstumsmärkte. Der Kreditzyklus eines sich abschwächenden Kreditumfelds wurde nicht beendet, sondern lediglich unterbrochen. Aus diesen Gründen konnten sich auch die übergeordneten Trends am Aktienmarkt fortsetzen.
Dies führt uns weiterhin zu der Überzeugung, dass wir uns in einem spätzyklischen Bullenmarktumfeld befinden. Value-Gegentrends sind jederzeit möglich – wie das erste Quartal 2021 eindrucksvoll belegt hat. Allerdings sind aus unserer Sicht weiterhin wachstumsstarke Unternehmen mit diversifizierten Produktpaletten, globalem Tätigkeitsfeld, bekannten Marken und sehr gutem Zugang zum Kreditmarkt zu bevorzugen.
Fazit: Der Absturz von Februar bis März 2020 ist offiziell als Bärenmarkt in die Bücher eingegangen. Ein gutes Jahr später wurde nun genau definiert, wie lange die zugehörige Rezession gedauert hat – ganze zwei Monate. Als Aktienanleger ist man gut beraten, niemals auf die Bestätigung durch offizielle Daten zu warten – Aktienmärkte blicken in die Zukunft und es gibt kein gültiges „Signal“ für Gefahr oder grünes Licht von offizieller Seite. An diesem Prinzip hat sich also nichts geändert – und die kürzeste Rezession der Geschichte bietet noch eine weitere Erkenntnis: Das war keine typische Rezession. Der Marktzyklus wurde nicht beendet, wir befinden uns im späten Bullenmarkt und die wachstumsorientierten Aktien haben gute Perspektiven.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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