Von Thomas Grüner
Dass es beim Investieren um die Zukunft geht – darüber sind sich eigentlich alle Investoren mehr oder weniger einig. Manchmal gerät diese Tatsache in Vergessenheit, wenn Anleger wieder einmal rückwärtsgerichtete Daten wie das Bruttoinlandsprodukt, Arbeitslosenzahlen oder Quartalsergebnisse als Begründung für eine Anlageentscheidung vorschieben. Schwer wird diese zukunftsorientierte Sichtweise, wenn man aus anderen Gründen blind ist. Denn Anlageentscheidungen sind in der heutigen Welt viel mehr als lediglich reine Bewegungen von Geldern. Sie sind identitätsstiftend. Schlechte Entscheidungen von Anlegern entstehen unter anderem, weil sie eine zu starke emotionale Bindung an den eigenen Wertpapierbestand und die Meinung hierzu aufbauen. Meinungen sind nicht mehr nur noch Meinungen, sondern Überzeugungen – ein ansonsten auch grundsätzliches Gesellschaftsproblem, welches durch soziale Medien weiter befeuert wird.
Emotionale Fehler
Goldinvestoren investieren nicht nur in Gold, sie werden zu Goldfans. Man ist nicht nur skeptisch gegenüber Wachstumswerten wie Amazon und Apple, sondern gehört zu den „rationalen Investoren“, die sich in einer verrückt gewordenen Finanzwelt gegen den Wachstumswahnsinn wehren und seit Jahren bereits in Value-Unternehmen mit stabilen Dividendenrenditen investieren. Man glaubt nicht nur, dass Zinsen wieder steigen werden, sondern ist von einem noch nie dagewesenen Crash überzeugt. Der Euro wird nicht schwächeln, sondern implodieren und Aktienmärkte konnten in den vergangenen Jahren nur steigen, weil die Zentralbanken so viel Geld in die Märkte gepumpt haben. Einfache Lösungen!
Ehe sie sich versehen, sind Sie zu einem wahren Gläubigen geworden! Anlageideen werden so leidenschaftlich, starr und ohne weitere Prüfung verfolgt wie eine Religion oder Ideologie. Je länger man einen Vermögensgegenstand besitzt und je mehr man darüber spricht, desto wahrscheinlicher ist es, dass er zu einem Teil von einem selbst wird. Würde man dann noch seine Meinung ändern, wäre es, als würde man ein Stück von sich selbst verlieren. Ständig ist man nur noch auf der Suche nach Informationen, welche die eigene Meinung bestätigen. Alle gegenteiligen Beweise werden notorisch ignoriert.
Gehirntraining als Lösung des Dilemmas
Doch nicht nur Privatanleger sind von diesem Problem betroffen. Das gleiche gilt für professionelle Anleger. In gewisser Weise können Profis noch anfälliger für eine Voreingenommenheit sein. Häufig sind sie und somit ihre Existenz beruflich mit einer bestimmten Anlageklasse, einem Investitionsstil oder einer Strategie verknüpft. Die Erkenntnis falsch zu liegen, bedarf der intellektuellen Öffnung für die schiere Möglichkeit, falsch zu liegen. Notieren Sie alle falschen Entscheidungen, vermeiden Sie Stolz auf richtige Entscheidungen. Seien Sie viel eher stolz darauf, zuzugeben, wenn Sie falsch liegen!
Fazit: Blind für Fehler zu sein, kann bei Investitionen teure Folgen haben. Extreme Meinungen im Sinne eines identitätsstiftenden Charakters gewinnen in einer anonymisierten Welt immer stärker an Bedeutung. Man hat nicht mehr nur noch eine Meinung, sondern missioniert für die eigenen Ideen. Anderslautende Gedanken werden kategorisch abgelehnt, womit es schlichtweg unmöglich wird, dass die eigene Meinung auch falsch sein könnte. Schließlich steht die eigene Identität und Integrität auf dem Spiel. Wer jedoch seine finanziellen Überzeugungen regelmäßig hinterfragt, vermeidet immense Fehler.
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Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments. Weitere Informationen unter www.gruener-fisher.de.
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